THEMA: Ungewöhnliche Übernachtungsplätze ...
10 Apr 2020 18:09 #585924
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  • Löwenseele am 10 Apr 2020 18:09
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Zuerst mal noch vielen Dank für den tollen Thread! Auch wenn ich nicht mit den abenteuerlichen Erzählungen von Wolfgang und den anderen Jungs mithalten kann, so möchte ich trotzdem zwei Geschichten erzählen, welche mir bis heute im Gedächtnis geblieben sind und ein Schmunzeln ins Gesicht zeichnen. Es geht bei meinen Erzählungen nicht so sehr um ungewöhnliche Orte sondern mehr um die Randerscheinungen.

Wie schon von Kordula in einem vorherigen Beitrag erwähnt, kann auch ich erst heute als Mutter nachvollziehen, welches Vertrauen meine Eltern in meinen Freund und mich hatten, als sie mich mit 17 Jahren mit dem Motorrad bis nach Portugal fahren ließen. Im Gegensatz zu den heutigen Helikopter-Eltern war in unserer Familie nicht mal ein Telefonanruf notwendig, dass man gut angekommen sei oder ähnliches. „Was Schlechtes erfahren wir früh genug.“ war die Devise meiner Eltern. Entsprechend war auch die Reaktion als ich nach 4 Wochen doch mal zu Hause anrief. „Um Himmels Willen! Was ist passiert?“ waren die ersten Worte meiner Mutter….Dieses Urvertrauen und der Mut, dass alles schon irgendwie gut gehen wird, begleiten mich seitdem durchs Leben. Und das ist wirklich eine sehr angenehme und entspannende Sichtweise. Doch nun zurück zu meinen Geschichten.

Im Sommer 1982 machten wir uns mit dem Motorrad (Yamaha SR 500) auf den Weg nach Portugal. Bepackt waren wir „bis zum Stehkragen“. Sogar einen Ersatzreifen hatten wir dabei.



Übernachtet haben wir im Zelt – oder auch nicht. Manchmal lagen wir auch einfach so unterm Sternenhimmel.



Portugal war damals noch „Entwicklungsland“. Strom gab es nicht überall und schwer beladene Ochsenkarren konnten einem hinter jeder Kurve auf den schmalen Landstraßen den Weg blockieren. In Lissabon schockte mich ein Slum mit Pappkarton- und Wellblechhütten. Nackte Kleinkinder saßen im Dreck und spielten in Pfützen. So etwas kannte ich nur aus dem Fernsehen von südamerikanischen Ländern – aber doch nicht bei uns in Europa! Als ich Jahrzehnte später wieder nach Portugal kam, gab es eine Autobahn parallel zur alten Landstraße, die einem im Vergleich nun wie ein geteerter Feldweg anmutete. Auch im kleinsten Dorf gab es nun Strom statt Petroleumbeleuchtung. Und Pommes statt Gemüse. Überall im Land standen große Hinweistafeln, auf denen man nachlesen konnte, was die EU alles gefördert hat. Doch ich schweife ab…

Nachdem wir damals ein paar Tage in Biarritz verbracht hatten, machten wir uns wieder auf den Weg. Keine Ahnung warum, aber Armin wollte unbedingt in einem Rutsch von Frankreich bis nach Portugal durchfahren. Unser Motorrad schaffte nur max. 120 km/h und auch die Tankfüllung reichte nur für ca. 150 km. An ein zügiges Vorankommen war somit nicht zu denken. Da der von uns anvisierte Grenzübergang von Spanien nach Portugal um 1.00 Uhr nachts schloss, mussten wir rechtzeitig dort ankommen. Für mich als Sozia war es zwar weniger anstrengend als für den Fahrer. Aber doch auch ermüdend. Und so fielen mir während der Fahrt immer wieder die Augen zu. Armin bemerkte es daran, dass ich mit meinem Helm gegen seinen knallte. Irgendwann gab er mir einen Schubs nach hinten, so dass ich mich bequem an unserem Berg von Gepäck anlehnen konnte und in einen Tiefschlaf fiel. Solange es nur geradeaus ging, war das fahrtechnisch kein Problem, nur in den Kurven musste er sehr vorsichtig sein, damit ich ihm nicht verloren ging. So konnte ich wenigstens einen Teil der langen Strecke im Schlaf hinter mich bringen. (Ich stelle gerade fest, dass es sich auf einem Motorrad zwar nicht um einen Übernachtungsplatz aber doch zumindest um einen ungewöhnlichen Schlafplatz handelt.)

Je näher wir der Grenze kamen, desto kurviger wurde die Straße. Links und rechts nur Eichenwälder oder riesige Weiden mit ebenso riesigen, schwarzen Rindern. Besonders in der Dunkelheit verlangte die Strecke viel Konzentration vom Fahrer ab. Und die Zeit saß uns im Nacken! 5 Minuten vor der Grenzschließung sind wir gerade noch drüber gekommen. Untern Strich waren es 17 Stunden, die wir an diesem Tag auf dem Motorrad verbrachten. Nun war aus Armin wirklich die letzte Energie raus. Wir brauchten dringend einen Platz zum Schlafen! Auf den nächsten Kilometern war links und rechts alles mit einer Steinmauer unzugänglich eingezäunt. Als endlich das erste Stückchen freie Wiese auftauchte, sind wir im wahrsten Sinn des Wortes vom Motorrad gefallen. Keine 5 Meter neben der Straße. Ich kann mich nicht mal daran erinnern, ob wir noch eine Iso-Matte oder sonst was zum Schlafen unterlegten. Ich glaube nicht…
Wach wurde ich durch das Gebimmel von kleinen Glöckchen. Als ich die Augen öffnete, sah ich einen Bauer, der mit seinem Holzkarren mit zwei geschmückten Ochsen an uns vorbei zog. Er und ich starrten auf das Szenario, das sich uns bot. Ich sah den ersten Ochsenkarren in meinem Leben und er zwei herunter gekommene Motorradfahrer, die direkt neben der Straße schlafen. Und ich glaube, wir beide haben in dem Moment genau das gleiche gedacht: „So was habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!“

So ging also meine erste Nacht in Portugal zu Ende. Die anderen waren etwas komfortabler, wir hatten wenigstens das Zelt in einem Kiefernwald aufgestellt und die Isomatten ausgerollt. Als Toilette diente ein in idealer Höhe quer gewachsener Kiefernzweig mit integrierten praktischen Klopapierhalter. Im lockeren Sandboden war somit eine wunderbare Freilufttoilette geschaffen. Leider gab es Myriaden von Mücken. Sobald man die Hosen runter ließ, musste man sofort an den frei gelegten Hautpartien die chemische Keule gegen die Blutsauger auftragen. Mückenstiche an „diesen“ Stellen sind anscheinend gerade bei Männern sehr unangenehm… Auch beim Duschen mit dem 10 l Faltkanister, der tagsüber in der Sonne erwärmt wurde, musste der andere daneben stehen und mit einen Handtuch die Mücken abwehren.

Eines Nachts, ich schlief zum Glück mit dem Gesicht in Richtung Zeltwand, schlug mein Freund mit den Fäusten plötzlich auf mich ein! Ich bin total erschrocken und dachte an einen Skorpion oder eine Schlage oder was auch immer, was er zu erschlagen versuchte. Ich schrie laut auf, er aber fiel mit einem lauten Seufzer zurück auf die Isomatte und wollte einfach so weiter schlafen, während ich panisch an der Zeltdecke klebte. Also habe ich ihn wachgerüttelt und gefragt, was denn los sei! Seine Antwort:“ Fass dir mal an die Nase.“ Ich fasse mir wie gewünscht an die Nase und tastete mich rundum ab um dann zu bestätigen, dass da alles in Ordnung ist. Wieder ein Seufzen und ein Wegnicken seinerseits. Nun war aber Schluss mit lustig! Ich habe ihn so lange geschubst, bis er wirklich richtig wach war und mir den Hintergrund seiner Attacke erklären konnte: er hatte einen Alptraum! Auf meiner Brust saß eine riesige Mücke, welche mir über die Nase das Blut aussaugte! Er hat also versucht mir das Leben zu retten! Mein Held! Ich muss dazu sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt bereits 148 Mückenstiche hatte. Dass mein Freund sich deshalb Sorgen macht und mich vor weiterem Unheil bewahren wollte, rechnete ich ihm hoch an!
2012 Südafrika - Einsteiger Gruppenreise
2017 Südafrika - Selbstfahrer
2018 Botswana - Zeltsafari
2020 Namibia - Frauen Power 4 x 4 wegen Corona verschoben auf 2021
.....da kommt sicher noch viel mehr!
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10 Apr 2020 22:05 #585948
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Löwenseele schrieb:
Im Gegensatz zu den heutigen Helikopter-Eltern war in unserer Familie nicht mal ein Telefonanruf notwendig, dass man gut angekommen sei oder ähnliches. „Was Schlechtes erfahren wir früh genug.“ war die Devise meiner Eltern. Entsprechend war auch die Reaktion als ich nach 4 Wochen doch mal zu Hause anrief. „Um Himmels Willen! Was ist passiert?“ waren die ersten Worte meiner Mutter….Dieses Urvertrauen und der Mut, dass alles schon irgendwie gut gehen wird, begleiten mich seitdem durchs Leben.

… sehr schön.
Bei mir war es das genaue Gegenteil. Der Vater war zwar entspannt, aber die Mutter konnte vor (und während) meinen ersten Reisen manchmal wochenlang nicht richtig schlafen.
Bevor ich nach Alaska fuhr, war es meinem Vater und mir klar, dass es nicht gut wäre, wenn die Mutter wüsste, dass es dort Bären und Wölfe gibt.
Afrika und Löwen ließ sich dann nicht mehr so einfach vertuschen … ;-)

Gruß
Wolfgang
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11 Apr 2020 00:33 #585955
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  • La Leona am 11 Apr 2020 00:33
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Sehr unterhaltsam, da mach ich mit.

Mitte 1980er Jahre arbeitete ich während acht Monaten auf einem Kreuzfahrtschiff und einer unserer ports of call der sich immer wiederholenden einwöchigen Karibik-Kreuzfahrt war eine unbewohnte Insel im San Blas Archipel vor Panama. Nach mehreren Wochen schmiedete ich einen Plan um einmal bei den Cuna Indianern eine Nacht zu verbringen, einmam weg vom Schiff zu sein, weg von all den Leuten, näher bei diesem faszinierenden Inselvolk. Dieser Landgang auf San Blas wurde im Katalog als Beach Day beschrieben. Ein Tag mit beach volley, beach buffet, beach bar und baden an der beach. Die Passagiere wurden mit Tender Booten rübergebracht, Hafen gab es ja keinen, das grosse Schiff lag etwas draussen im Meer verankert. Auf der Insel gab es keinerlei Infrastruktur, nur Sand und Palmen und türkisfarbenes lauwarmes Badewasser. Die Musiker des Orchesters trugen Hawaiishirts und kurze Hosen und breitrandige Mariachi Hüte und spielten Gitarre und sangen. Die Cuna Indianerinnen kamen mit ihren Kanus und verkauften ihre typischen Textilien. Mein Plan war mit einer jungen Cuna-Familie und ihrem Kanu zu ihrer Insel zu fahren und dort bei ihnen zu übernachten. Meine Arbeitskollegin deckte derweilen meine Abwesenheit mit der Begründung ich läge mit Fieber in der Kajüte.
Auf der bewohnten Insel standen eine Handvoll sehr einfacher Behausungen aus Palmenblättern und mit spartanisch wenigen Möbeln, nur Tische, Stühle und Hängematten. Die Hütten hatten nicht einmal Türen. Als es dunkel wurde gab es gebratenen Hummer und Schnaps, von beidem sehr viel und es wurde gesungen, gelacht und gefeiert. Meine Gastgeber sprachen kaum spanisch, nur ihre einheimische Sprache, wir schwatzten stundenlang, aber ich habe keine Ahnung was sie sagten. Irgendwann fielen wir alle betrunken in die Hängematten. Am nächsten Morgen gabs Kokosmilch und Fladenbrot und man brachte mich per Kanu auf eine dritte Insel wo mich wie abgemacht der Hummertransport mitnehmen würde nach Panama City. Ich stieg in das Kleinflugzeug ein und setzte mich auf die Krustentiere, die beiden Sitze vorne waren besetzt vom Piloten und vom Händler. In Panama City machte ich dann Flug-Anhalter, das ist wie herkömmlicher Anhalter, aber am Flughafen der Charterflüge. Drei sehr schick gekleidete Geschäftsmänner hatten erbarmen und nahmen mich mit in ihrem Jet auf die Karibik Seite des Panamakanals in die Stadt Colon, da wo mein Schiff lag seit der Nacht zuvor. Ich erwischte dann auch schnell ein Taxi und kam grad rechtzeitig an Bord bevor es hiess Leinen los. Die darauffolgenden Wochen, wenn wir wieder in San Blas hielten, lachten die Einheimischen und ich über unser gemeinsames Abenteuer.
Ohne jugendlichen Leichtsinn gäbe es viele der hier beschriebenen Geschichten nicht.
Gruss Leona
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11 Apr 2020 12:59 #585988
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La Leona schrieb:
Ohne jugendlichen Leichtsinn gäbe es viele der hier beschriebenen Geschichten nicht.

… ja, das ist wohl so.
Allerdings muss ich feststellen, dass der jugendliche Leichtsinn auch in späteren Jahren von Zeit zu Zeit mal wieder zurückkehrt.

Danke an alle, die hier bisher ihre schönen Geschichten mitgeteilt haben!

Gruß
Wolfgang
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11 Apr 2020 15:04 #586003
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Eine ungewöhnliche Übernachtungsgeschichte habe ich noch. Ich hatte sie für eine Reisezeitschrift verfasst, deshalb ist sie etwas "farbig" geraten, doch die Fakten stimmen exakt. Das Erlebnis geschah wenige Tage nach der unheimlichen Übernachtung im "Tausend-Sterne-Hotel" im Hoggargebirge, die ich ein paar Seiten zuvor eingestellt habe.

Geheimnisvolle Wüste

„Das glaube ich jetzt aber nicht!“
Ich verenge meine Augen zu Schlitzen, beschatte sie mit den Händen, putze die Brillengläser - das Bild bleibt dasselbe. Eine Fata Morgana? Dafür ist die Erscheinung zu nah. Sarah und Maggie, zwei meiner Reisegefährtinnen, rubbeln mit den Zipfeln ihrer Palästinensertücher die Frontscheibe des Jeeps, aber die Patina ist nicht Schuld an der Erscheinung.
Kader, unser Reiseführer, sein Bruder Mohamad und die vier Tuareg sind aus den Geländewagen geklettert. In den traditionellen Gewändern heben sie sich wie Zypressen von der unwirklichen Landschaft ab. Gesenkte Köpfe zwischen hochgezogenen Schultern und fahrige Bewegungen lassen ihre Verwirrung erahnen.

Vor drei Tagen sind wir im strömenden Regen von Tamanrasset, einer Handelsoase auf dem Weg nach Schwarzafrika, aufgebrochen und haben uns bis gestern durch Regen, Schlamm und Pfützen Richtung Niger gewühlt. Mit angehaltenem Atem haben wir uns durch reißende Flüsse getastet, die unsere Crew bisher nur als Trockentäler kannte. Während im Norden regenschwere Wolkenmassen die Ausläufer des Hoggargebirges verhüllten, sieht der Himmel hier im Süden der Sahara aus wie Sandpapier.
Endlich bietet die Wüste das Bild, das wir erwartet haben: trocken, heiß und staubig; Geröll und Sand so weit das Auge reicht. In wilder Jagd über Sandpisten mit Fahrrillen, die jedem Kartoffelacker Ehre machen, versuchen die Fahrer, den Zeitverlust aufzuholen. Prähistorische Felsmalereien sind unser heutiges Ziel. Kader hat uns einige besonders interessante Gravuren versprochen.
Bis vor wenigen Minuten jedenfalls.

Nun stehen wir am Ufer eines Sees, der sich bis zum Horizont erstreckt. Nicht nur, dass er uns den Weg abschneidet, er bedeckt auch die Felsen mit den Malereien und den vorgesehenen Lagerplatz.
Die nachmittägliche Hitze flimmert auf dem milchigen Wasser und verwischt den Übergang zwischen Himmel und Erde. Kleine schwarzweiße Vögel, unseren Schwalben ähnlich, schwirren über die Fläche. Ich setze mich ans Ufer, atme tief ein.
Wie gut das Wasser riecht.
Unsere Crew steht immer noch auf dem selben Fleck. Ihre Stimmen sind viel höher als sonst. Was mag in ihnen vorgehen angesichts dieses neuen Sees? Endlich bewegen sie sich, streben auseinander. Hassiba rafft seine blaue Ganduhra hoch und stippt vorsichtig einen Fuß ins Nass. Sein Bruder, dessen Name ich mir nicht merken kann, hebt ebenfalls sein Gewand und marschiert zielstrebig hinein. Das Wasser spritzt hoch auf, als er ausrutscht und im hohen Bogen hinein platscht. Vorbei ist der besinnliche Augenblick, raues Männergelächter zerfetzt die sanften Töne der Wüste.
Ich erhebe mich, mir ist heiß. Ich würde ebenfalls gerne ein Bad nehmen und beobachte neidvoll Hassibas Bruder, der jetzt aus dem Wasser stolpert. Wie dünn er ist. Unter den Falten seines Gewands ist mir das bisher nicht aufgefallen. Eine Bö huscht über den Sand, wirbelt kleine Staubspiralen auf und lässt den unfreiwilligen Badegast erzittern.

Was nun? Das Wasser ist zu tief, um die Geländewagen hindurchzujagen. Kader hat sich einige Schritte entfernt und starrt auf den See. Die Wüste lässt keine Fehler zu, und er trägt die Verantwortung für uns.
Als ich mich nach seinen Plänen erkundigen will, kommt Maggie mir zuvor.
"Kader, wir Frauen wollen baden. Entfernt euch mal. Vielleicht findet ihr eine flache Stelle, wo wir übersetzen können."
Ein kurzer Blick streift uns. Ein Wortwechsel auf Arabisch bringt Bewegung in unsere Begleiter.
„Eine halbe Stunde“, ruft Kader und rennt hinter den anderen her zu einem der Jeeps, dessen Motor ungeduldig aufjault. Dann rast eine mächtige Staubfahne Richtung Westen.
Wir sind allein, werfen die Kleider ab und springen ins milchige Wasser, das uns warm und weich umfängt. Wir albern herum, schwimmen hinaus, tauchen und steigen wieder an Land. Da unsere Handtücher mit der Staubwolke davon gefahren sind, darf der Wind ihre Aufgabe übernehmen.

„Was wohl die Männer machen? Ich sehe kein Auto, die sind wirklich weg.“
Obwohl ich die Augen zusammen kneife, erkenne ich nur Punkte am Horizont.
„Keine Bange, die kommen wieder. Wir haben nämlich die Lebensmittel und das Trinkwasser im Auto“, grinst Sarah.
Maggie kramt ihre Kamera mit dem Maxi-Tele hervor.
„Das haben wir gleich.“
Sie zoomt, kichert, fotografiert, kichert wieder.
„Mädels, das glaubt ihr erst, wenn ihr es gesehen habt.“
Wir stecken die Köpfe über dem Display zusammen, betrachten aufspritzendes Wasser, nackte schwarze Köpfe schauen heraus. Eine schmale Gestalt lehnt am Jeep. Auf dem nächsten Bild entsteigen zwei magere Gestalten in Unterhosen dem Wasser. Wenn die wüssten, dass wir sie beobachten! Ein anderer ist dabei, den Turban zu wickeln, er scheint mit dem Wind zu kämpfen. Dann sitzen die sechs im Sand, ein ausgestreckter Arm zeigt über den See.
„Diese Halunken, deshalb hatten sie es so eilig.“
Das Licht wechselt unmerklich die Farbe und legt seine orange Abendrobe über den Sand, als endlich der Wagen mit unseren Begleitern zurückkehrt.
„Wir werden hier übernachten“, verkündet Kader, während er sich zu uns hockt. „In Richtung Westen gibt es kein Hinüberkommen. Das Wasser grenzt bis an ein Geröllfeld, das wir nicht befahren können. Morgen früh versuchen wir es im Osten.“

Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es noch dunkel. Ich höre die Männer murmeln, Holz knackt, es riecht nach Lagerfeuer und Tagella, dem Fladenbrot. Unwillig schäle ich mich aus dem warmen Schlafsack. Während im Westen noch die Sterne funkeln, zieht im Osten das erste Licht einen Trennstrich zwischen Himmel und Erde.
„Marhaba“, ruft Kader, „Frühstück ist fertig.“
„Wir sind gleich so weit.“
Ich fahre mit den Fingern durch die verfilzten Haare und krame mein Waschzeug aus dem Rucksack. Der Himmel wird heller, die Farben erwachen, ein erster Sonnenstrahl blitzt hervor. Ich wende mich zum See, verwechsle verschlafen die Richtung, blicke auf Felsen, deren Schatten nach meinen Füßen greifen, auf Steinbrocken und dunklen Sand.
Ich drehe mich um, dann noch einmal.
In welcher Richtung liegt denn nun dieser verdammte See?
Wo sich gestern noch Wasser ausbreitete, schält sich aus der Dämmerung ein weitläufiges Tal, in dessen Mulden Wasserlachen blinken.
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12 Apr 2020 17:11 #586094
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  • Löwenseele am 10 Apr 2020 18:09
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Und noch ne Geschichte aus meiner Jugend...

Wir waren in jungen Jahren (in den 80er des vorigen Jahrhunderts) so oft es ging mit den Motorrädern in den Bergen unterwegs. Mein Freund und ich mit der bereits erwähnten Yamaha SR 500 und mein Bruder mit einer alten 500er BMW, BJ 1952 mit Seitenwagen. :) Falls wir überhaupt eine Karte dabei hatten, dann allenfalls um die grobe Richtung in der Früh zu besprechen. Ansonsten sind wir einfach mal losgefahren. Diesmal haben wir uns im Grenzgebiet zwischen Schweiz und Italien rumgetrieben. Schwer beeindruckt war ich vom Passo di Gavia, der damals noch teilweise ungeteert war und man nur über die rausgesprengten Felsplatten fuhr! :) Schade, dass sich inzwischen so vieles verändert hat. :(

In Livigno hatten wir Alkohol und Zigaretten gekauft bis der Beiwagen randvoll war. Ob wir damit über die Grenzen kommen würden, war zwar mehr als fraglich. Aber wie schon vorher mal erwähnt: mit etwas jugendlichem Leichtsinn war das Leben nun mal viel spannender! :whistle: Also wurde die Plane des Beiwagens mit allen Expandern, die wir aufbieten konnten, kunstvoll verzurrt und verknotet. Eine Stange Zigaretten kam jedoch bei jedem von uns griffbereit mit aufs Motorrad. ;) Mein Bruder fuhr vor uns auf die Grenze zu. Wir konnten somit das nun beginnende Schauspiel aus bester Perspektive beobachten. :lol: Der Zöllner fragte, ob er etwas zu verzollen hätte. Mein Bruder zückt die Stange Zigaretten. Nun wollte der Beamte natürlich wissen, was sich im Beiwagen befand. Nur das komplette Campingzeug von ihm und seinem Kumpel, der da hinter ihm steht, war die Antwort meines Bruders mit einem entsprechenden Fingerzeig auf uns. Der Zöllner wandte seinen Blick uns zu. Wir nickten zustimmend brav mit dem Kopf. Trotzdem sollte mein Bruder die Plane entfernen. Währenddessen kam der Zöllner auf uns zu, um uns zu überprüfen. Auch wir hatten selbstverständlich nur je eine Stange Zigaretten und Schokolade dabei. Wir kannten ja die Vorschriften! ;) Mein Bruder hatte in der Zwischenzeit gaaaanz langsam ungefähr den dritten Expander gelockert. Der Zöllner stellte sich mit einer Engelsgeduld wieder neben ihn. Uns wurde schon ein bisschen heiß….. :blink: :blush: Doch mein Bruder konnte schon immer den Leuten ein Loch in den Bauch quatschen. Das hat dann auch diesmal geklappt. Beim geschätzt 20sten Expander gab der Zöllner auf, „vertraute“ der Aussage meines Bruders, dass wir ansonsten nichts zu verzollen hätten und wir durften weiter fahren. Nerven muss man haben! :lol:

Auf dieser Tour gab es noch ein weiteres Erlebnis, dass wieder mal „nur“ als Randerscheinung als Folge der Übernachtungsplätze entstand. Wir waren ja immer recht sparsam unterwegs. Nicht einmal Campingplätze haben wir uns geleistet. Irgendwo in der Pampa gab es immer ein Fleckchen Wiese, auf das man sein Zelt stellen konnte. Das Essen mit Bundeswehr-EPA-Keksen war ebenfalls entsprechend spartanisch. :S Körperhygiene wurde für ein paar Tage hinten angestellt. :whistle: Zumindest die Zähne wurden geputzt – auch wenn das mit dem oft wirklich eiskalten Quellwasser auch kein Vergnügen war.

Aus reiner Entdeckerfreude haben wir schon immer gern die Hauptstrecken verlassen und einfach mal ausprobiert, wie weit man mit den Motorrädern kommt. Und sei es nur für ein hübsches Plätzchen irgendwo auf einer Almwiese, um sich dort mal für eine halbe Stunde in die Sonne zu legen. Manch Wanderer hat uns zwar merkwürdig angeschaut. :angry: Aber so lang kein Sperrschild vorhanden und der Weg irgendwie befahrbar war, haben wir einen Versuch gestartet.

An diesem Tag ging es Richtung Bormio. Als wir irgendwo auf der Strecke einen Fluss überquerten, sahen wir, dass an dessen Flussufer eine Forststraße bergauf führte. Das wäre doch mal wieder genau das Richtige für uns! Also runter von der Hauptstraße und immer den Fluss entlang Richtung Gipfel. Ich weiß heute nicht mehr warum, aber irgendwie musste mein Bruder ein paar Minuten Vorsprung vor uns gehabt haben. Denn ansonsten hätte ich ja live miterlebt, wie es zu der Szene kommen konnte, die mich in Kürze zutiefst irritieren sollte…
:blink: :blink: :blink: :woohoo: :woohoo: :woohoo:

Als mein Freund und ich um eine Biegung der Forststraße herum waren, sahen wir meinen Bruder – und legten eine Vollbremsung hin. :woohoo: Er lag splitterfasernackt mitten auf der Forststraße!!! Dieses Bild war vollkommen surreal! Ein Unfall? :ohmy: Dann wäre er nicht nackt! Mein Hirn war nicht in der Lage, diese Situation zu analysieren. Anscheinend ging es ihm – zumindest körperlich - ganz gut! :silly: Lachend schöpfte er Wasser mit der Hand aus einem kleinen Rinnsal, das aus dem Wald kam und sich quer über die Forststraße Richtung Fluss ergoss. Mein Bruder versuchte mit seinem Körper das winzige Bächlein soweit aufzustauen, das es auch möglichst über ihn drüber lief. Irgendwie ergab das alles immer noch keinen Sinn! :dry: Bis mein Bruder rief: „Das Wasser ist total warm!“ :laugh:

Wir konnten es nicht glauben! Tatsächlich! Das Wasser hatte eine herrliche Badewannentemperatur! Und das mitten im Gebirge, wo wir ansonsten nur mit Schmelzwasser in Berührung kamen! Wilde Spekulationen begannen. Abwasser einer Molkerei, die hinter dem Wald liegt? Oder das Kühlwasser eines Atomkraftwerks? Wie auch immer – mein Bruder aalte sich wie ein Fisch im Wasser und hatte das größte Vergnügen daran, auf einem Forstweg sitzend ein Bad zu nehmen. :lol:

Damals war es für uns unerklärlich, woher dieses warme Wasser kam. Heutzutage hätten wir vermutlich das Handy gezückt und mal schnell gegoogelt. Aber so habe ich erst Jahre später erfahren, dass es rund um Bormio zahlreiche Thermalquellen gibt. Und eine ganz kleine davon hat meinen Bruder so glücklich gemacht.
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