Tag 10 – 22. Juli 2019 – Die Sichtungsfee hält Wort
Rooiputs – Mata Mata
Am späten Abend war wieder der Berliner LKW eingetroffen, war eine Runde an allen Sites vorbeigefahren und hatte diesmal tatsächlich noch einen freien Stellplatz ergattern können. Wieder wurde der Motor deutlich vor der erlaubten Zeit am Morgen gestartet, und es wurde noch im Dunkeln aufgebrochen. Scheint eine eingespielte Masche zu sein. Wir finden das schon ziemlich dreist.
Vor dem Aufstehen hörten wir Hyänen- und Schakalrufe sowie nahes Löwengebrüll. Daher verzichteten wir selbst auf ein kleines Frühstück und packten schnell zusammen. Die lose Markise sicherten wir mit einem Seil gegen erneutes Herunterfallen, indem wir sie quer über das Autodach festzurrten. Dies hielt erstaunlich gut. Als wir von der Toilette kamen, sahen wir gerade noch, wie eine Wildkatze an unserem Auto vorbei lief und wie gestern schon in der Ebene verschwand.
Pünktlich um halb acht fuhren wir los und waren ziemlich unentschlossen, welche Richtung wir einschlagen sollten. Einerseits hatten wir die lose Markise im Hinterkopf und den Plan, die Halterung in Twee Rivieren schweißen zu lassen. Andererseits hielten wir es für vage, ob diese Reparatur dort überhaupt stattfinden konnte und wie lange dies dauern würde. Und unsere Befestigung mit dem Seil hielt wirklich gut, so dass wir uns durchaus vorstellen konnten, mit diesem Provisorium noch ein paar Tage zu fahren, bis wir in Swakopmund sind und den Schaden professionell beheben lassen können.
Mit diesen Gedanken im Kopf entschieden wir uns, zunächst ein Stück nach Süden zu fahren – sicherlich auch, weil das Morgenlicht so besser stand, um etwas entdecken zu können. Wir fuhren ein paar Kilometer bis kurz vor Leeuwdril, als Ruth in den Fußraum des Autos abtauchte, weil sich mal wieder der Objektivdeckel der Kamera in den Tiefen unter dem Sitz versenkt hatte. Während sie suchte, hielt Uwe an und schaute auf seiner Seite aus dem Fenster. Dann folgten die vier entscheidenden Worte: „DA IST DER KARAKAL!“
Nicht, dass dies irgendetwas geändert hätte. Ruth kramte und rumpelte völlig unbeeindruckt weiter unter dem Autositz herum. Zu oft hatten wir uns in den letzten Tagen gegenseitig mit unserer ersten Karakalsichtung hops genommen. Während wir endlose Minuten an leeren Wasserlöchern verbracht, geduldig dem Herannahen eines einzelnen Springbocks geharrt und Fallstudien zu schlafenden Wildkatzen betrieben hatten, war es schon fast eine Gepflogenheit geworden, den jeweils anderen durch diesen oder einen ähnlichen Ausruf am Einnicken zu hindern. Auch Uwes Beteuerung wurde zunächst nicht ernst genommen. Doch irgendetwas war diesmal anders. Es wurde plötzlich hektisch auf dem Fahrersitz, und es folgten ein paar unsanfte Rempler zur Bekräftigung, so dass Ruth sich schließlich doch wieder in die Senkrechte bemühte. Und dann wurde auch ihr plötzlich ganz heiß. Der Moment, wenn man seinen Augen gar nicht trauen kann und das Adrenalin ausgeschüttet wird, ist unbeschreiblich. Etwa 30 Meter von uns entfernt, stand tatsächlich bei unserer 17. Afrikareise unser erster Karakal und sah uns an. (Wir nehmen mal an, dass plattgefahrene Exemplare neben der Straße nicht als Sichtung zählen.)
Wir konnten unser Glück kaum fassen, und während wir noch mit einer Überdosis Adrenalin zu kämpfen hatten, blieb die Katze gelassen, interessierte sich in keiner Weise für uns, kam tatsächlich näher und überquerte vor unserem Auto die Straße.
Sie warf uns nur einen knappen, grimmigen Blick zu. Dabei hatten wir doch sehr respektvoll Abstand gehalten und während ihrer gesamten Anwesenheit vor lauter Ehrfurcht nur geflüstert.
Ohne anzuhalten lief sie zielstrebig auf den nächsten Dünenkamm zu. Uns blieben vielleicht zwei Minuten, aber dies reichte uns für das vollkommene Safariglück.
Heute hatten wir offensichtlich alles richtig gemacht und die korrekte Entscheidung für die Routenwahl des Gamedrives getroffen. Vielleicht sollte man auch nicht zu ordentlich sein und einfach mal länger irgendwo anhalten, um etwas zu suchen. Aber auf jeden Fall schwören wir auf die Wirkung des Zaubertranks. Liebe Konni, liebe Silke, an dieser Stelle nochmal herzlichen Dank! Hätten wir das geahnt, dann hätten wir euer Gebräu bereits vor der Einfahrt in den KTP inhaliert. Wir werden in Zukunft besser vorbereitet sein. Der restliche Tag konnte kommen. Nun waren wir bereits um kurz vor 8 Uhr völlig zufrieden.
Wir entschieden, dass die Markise auch mit dem Seil halten würde und fuhren nicht weiter nach Twee Rivieren, sondern kehrten um und tuckerten langsam nach Norden. Ein kleiner Gabarhabicht saß auf dem Boden bei seiner Beute. Wir vermuteten, dass es sich um einen Grautoko handelte, den er geschlagen hatte und in seinen Klauen festhielt.
Außer uns stand noch ein weiteres Auto neben ihm. Das war dem kleinen Greif wohl zu viel Rummel, und er schleppte seine Beute, die etwa so groß und schwer war wie er selbst, unter großer Anstrengung in den nächsten Baum. Das war gar nicht so einfach, denn das Geäst war dicht, und die Zweige hatten lange, spitze Dornen, die die Flügel des Tokos festhielten. Immer wieder verhakte er sich, und der Habicht musste sich mehrmals mit seiner Beute drehen und wenden. Er pickte hier und zuppelte dort, bis er die richtige Position gefunden hatte. Dann begann er, den Toko zu rupfen, dass die Federn nur so davonflogen.
Ab Kij Kij nahmen wir die Querverbindung ins Auob-Tal durch die Dünen und stellten fest, dass wir diese Strecke wohl noch nie gefahren waren, denn sie kam uns vollkommen unbekannt vor. Wir sahen einen Honigdachs, der von zwei Singhabichten verfolgt wurde. Offensichtlich erhofften sie sich einen Anteil an seiner Beute. Zu schnell verschwanden sie jedoch aus unserer Sicht.
Dünauf und dünab ging es vorbei an einem Aussichtspunkt, an dem wir nur kurz hielten, weiter Richtung Auchterlonie.
Schwarzbrust-Schlangenadler
Dort machten wir unsere Frühstückspause mit Brötchen, Kaffee und Tee.
Sofort waren wir umringt von einer buntgemischten, neugierigen Vogelschar, die nach Krümeln suchte.
Kapsperlinge,
Rotschwanzschmätzer,
und Schnurrbärtchen
versammelten sich auf den umliegenden Steinen und beobachteten jede unserer Bewegungen. Dasselbe tat auch von einer Etage weiter oben eine Kapkrähe, so dass immer einer von uns beim Tisch blieb und unser Brot bewachte.
Auf einen kurzen Besuch schaute auch eine Fuchsmanguste bei uns vorbei.
Uwe rief nochmal bei Savanna an und stimmte unseren Plan für die Markise ab.
Zirplerche (Spike-heeled Lark)