THEMA: The Heat is on – Namibia & Botswana November 2018
06 Jan 2019 12:27 #544315
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Tag 1 – Vom Büro ins Abenteuer

Es ist der 30. Oktober und ich sitze etwas nervös an meinem Schreibtisch im Büro. Gestern Abend gab es moderaten Packwahnsinn („Hast du noch irgendwo Platz für die Plastik-Weingläser?“, „Warte, die Sonnencreme kann ich an der Seite noch irgendwie reinstopfen“), denn der Haufen an Ausrüstung war groß. Heute Morgen bin ich dann mit 16 Kilo im Rucksack auf dem Rücken, Fleecejacke, Regenjacke und Laufschuhen ins Büro marschiert.

Um 18:35 geht das Flugzeug. Um möglichst viele Tage vor Ort mit 17 Urlaubstagen rauszuschlagen, hatten wir die wahnwitzige Idee, dass wir am Tag des Abflugs noch voll arbeiten können, da der Flug schließlich erst abends geht.

Jetzt darf mich allerdings kein Feueralarm mehr von meinem Reisegepäck trennen, kein Büro-Notfall die Zeit vergessen lassen, und vor allem darf die S-Bahn nicht ausgerechnet heute einen Totalausfall haben. Natürlich habe ich mir vorher auch ausgerechnet, wie lange ich mit dem Fahrrad zum Flughafen brauche, falls zu dem S-Bahn-Ausfall auch noch ein apokalyptisches Verkehrschaos dazukommen sollte...

Aber, trotz aller Horrorszenarien: Alles geht gut. Ich ziehe mich im Büro um, mein Flugoutfit wird von den Kollegen, die ich seit Monaten mit Planungsgeschichten nerve, abgenickt und dann marschiere ich los, mit einem Grinsen im Gesicht. Ab da geht alles ganz entspannt. In London steigen wir in den A380 und stellen fest, wie sehr sich deutsche Pünktlichkeit und Sorgfalt doch lohnen kann: Mithilfe der British Airways App und schon vorher eingegebenen Passdaten habe ich es am Abend vorher geschafft, auf die Sekunde genau zum Beginn des Check-In einzuchecken. So habe ich es tatsächlich zwei Plätze in einer Zweierreihe oben bekommen – ohne Aufpreis. Wie sehr sich das lohnt zeigen die folgenden elf Stunden: Es ist vergleichsweise ruhig, wir haben jede Menge Platz. Und die Investition des Tages sind definitiv die Noise-Cancelling-Kopfhörer, die wir vorher noch besorgt hatten. Wenn ein Film läuft, höre ich das Flugzeug quasi gar nicht mehr. So schaffe ich es tatsächlich, vier oder fünf Stunden am Stück zu schlafen! Das ist mehr als auf allen bisherigen Langstreckenflügen zusammen.

Beim Umstieg in Johannesburg werden wir von den Damen und Herren in den Toiletten bei der Ankunft überschwänglich und gut gelaunt mit „Welcome to my Office!“ bzw. Fistbump begrüßt. Leider sind wir dann etwas verwirrt und wissen nicht so recht, wo wir lang müssen. Das Terminal, das mir meine App angibt, ist am Flughafen mit „Domestic“ angegeben und der Weg dorthin führt uns nicht durch den Transit, sondern durch den Einreiseschalter nach Südafrika. Die sehr freundliche Immigration-Dame, die wir fragen, ob wir richtig sind, lässt uns ins Land, scheint aber davon auszugehen, dass wir noch Gepäck holen und neu aufgeben müssen. Das ist aber durchgecheckt. Etwas orientierungslos laufen wir durch den Flughafen und nachdem wir gefühlt das halbe Flughafenpersonal gefragt haben, die uns alle mehr oder weniger wieder zurückschicken, finden wir dann doch irgendwann zum richtigen Gate.



Beim Landeanflug auf Windhoek verspüre ich nichts weniger als pure Euphorie. Die Landschaft, über die wir immer und immer tiefer sinken, sieht so atemberaubend aus – diese weite, orange-braune Steppe, in diesem Moment für mich Afrika-Feeling pur. Viel mehr Afrika-Feeling, als es irgendein Landeanflug in Südafrika jemals hatte. Liegt vielleicht auch daran, dass der Flughafen in Windhoek so provinziell wirkt, als wäre man gerade – allerhöchstens – auf Teneriffa gelandet. Dort angekommen erwartet uns die obligatorische Einreiseschlange, wobei wir es irgendwie geschafft haben, ganz hinten zu stehen. Die wenigen Leute hinter uns werden dann auch noch an den Domestic-Schalter gelassen, sodass wir als Schlusslichter etwas grummelig und trotz der sensationellen Schlafdauer langsam doch ziemlich platt von einem Fuß auf den anderen trippeln. Wir versuchen, die Zeit damit totzuschlagen, Hochrechnungen über die Dauer des weiteren Anstehens anzustellen. Nach sorgfältiger Beobachtung stellen wir fest, dass jede Immigrations-Dame im Schnitt zwei Minuten pro Person benötigt, bei vier Schaltern ergibt das eine halbe Minute Warten pro Person vor uns. Die Prognose ist erstaunlich korrekt und wir wissen nicht ganz, ob wir uns über unsere geistige Höchstleistung freuen oder doch enttäuscht sein sollen, dass wir wirklich so viel Zeit in dieser Schlange verbringen. Fast zwei Stunden!

Das war es dann auch mit unserer Idee, heute noch etwas von Windhoek zu sehen. Aber auch egal. In der Ankunftshalle vom Flughafen holen wir Geld am Automaten, werden auf dem Weg zum MTC-Shop von gefühlten 23 Shuttle-Anbietern angequatscht und fühlen uns etwas überfordert, wem man denn hier nun trauen soll. Im Vorfeld hatten wir einige Zeit darüber diskutiert, ob wir einen Transfer vorbestellen sollten. Ich war dafür, Lukas aber der Meinung, man könne doch einfach ein Taxi vor Ort nehmen. Normalerweise versuchen wir immer, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, aber das ist hier wirklich keine Option. Zum Glück haben wir erstmal die Ausrede, noch unsere SIM-Karte zu kaufen und fragen dann einfach den freundlichen MTC-Mann, der uns an einen Fahrer verkuppelt. Der Preis scheint okay, der Fahrer nett. Auf dem Weg zum Hotel zeigt er uns unsere ersten Giraffen, die im Naturschutzgebiet neben der Flughafenstraße herumstehen. Begeisterung pur.

Unsere erste Nacht verbringen wir, noch ohne Auto, im Windhoek Gardens Hotel. Nach freundlichem Empfang sind wir erstmal beeindruckt von unserem Zimmer – viel Platz und schön eingerichtet, das hätten wir für 80 Euro gar nicht so gut erwartet:



Die Dusche ist fast so groß wie unser gesamtes Bad in Hamburg, und wir haben eines der weniger freakig dekorierten Zimmer erwischt, Motiv „Dead Vlei“. Ich werde das Gefühl aber nicht los, dass Lukas lieber das mit den knallbunten Pferden oder Trucks gehabt hätte.

Bis zu unserer Reservierung bei Joe’s Beerhouse (wir waren uns unsicher, ob wir uns die volle Dröhnung Touri-Kram geben wollen, aber etwas Schickeres hielten wir nach einer vermeintlich schlaflosen Nacht dann doch für Verschwendung) ist noch etwas Zeit, also trinken wir noch ein Windhoek Lager im Innenhof. Dabei verwickeln uns ein Namibi(an)er und ein Südafrikaner in eine Diskussion über Tourismus, Lebensstandard und globale Gerechtigkeit, die uns gleichzeitig fasziniert, schuldbewusst zurücklässt und, weil’s einfach zwei so witzige Typen sind, amüsiert. Leider müssen wir dann irgendwann los, als erst so richtig spannend wird, andererseits weiß man ja auch nie, wie sowas endet – immerhin ersparen wir uns ein paar Fettnäpfchen.



Unser Taxi ist wahnsinnig pünktlich und wir sind erst einmal fasziniert, dass Joe’s Beerhouse über so ein ausgeklügeltes Ein- und Ausfahrtsystem verfügt. Auch müssen wir erstmal verstehen, dass es anscheinend normal ist, dass uns unserer Fahrer später wieder abholt – was uns aber in die Lage bringt, nachher bei ihm anrufen zu müssen. Wir sind aus unserer Südafrika-Reise immer noch etwas traumatisiert, was Anrufe bei Taxifahrern angeht – trotz eigentlich überdurchschnittlicher Englischkenntnisse hatten wir damals enorme Probleme, am Telefon überhaupt irgendwas zu verstehen. So überlegt dann jeder von uns schon jetzt insgeheim, wie er sich um diesen Anruf drücken kann. Lustigerweise treffen wir beim Irren durch den Biergarten auch noch unseren namibi(ani)schen Gesprächspartner aus dem Hotel wieder. Beim Essen (der Spieß mit vier Fleischsorten ist erfreulich, das Steak in Ordnung) kommen wir irgendwann mit ein paar Neuseeländern an unserem Tisch ins Gespräch. Auch sie sehen wir nicht zum letzten Mal.

Der Anruf beim Taxifahrer fällt dann leider auf mein Konto, und mit Schweißausbruch bringe ich das Telefonat hinter mich und hoffe, alles richtig verstanden zu haben. Eine Herausforderung ist auch, dass der nette Herr uns von der Rezeption abholen will, wir ihn aber eigentlich nur von hinten gesehen haben und uns nicht mehr sicher sind, ob wir ihn eigentlich wiedererkennen. So stehen wir etwas ratlos herum. Als er dann auftaucht, erkennen wir ihn dann natürlich doch sofort. Worüber man sich halt am Anfang einer Reise so alles Sorgen macht …

Im Hotel zurück erwartet uns noch eine Umpackaktion. Hochgradig ausgeklügelt war natürlich auch unser Packsystem, danke dessen aber nun alles kreuz und quer verstreut gepackt ist, das muss erstmal alles wieder auseinander sortiert werden. Wir nutzen Packbeutel aus Plastik, aus denen man durch Rollen die Luft rausdrücken kann, sodass die Kleidung komprimiert wird und keine Luft mehr reinkommt. Bewährt sich nicht nur, wenn der Rucksack bei strömendem Regen auf einem panamesischen Busdach befördert werden muss, sondern auch im staubigen Namibia!

Utensil des Tages: Noise Cancelling. Weil Schlaf einfach super ist.
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06 Jan 2019 13:04 #544325
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Tag 2 – Höllenritt durch’s Paradies

Heute Morgen klingelt der Wecker gefühlt viel zu früh. Um halb acht werden wir von der Autovermietung abgeholt. Wir haben zwar eine anständige Zahl an Stunden geschlafen, so ganz verdaut haben wir die Nacht im Flugzeug aber noch nicht. Leider brauche ich eher viel Schlaf. Aber wir sind halbwegs fit und das Frühstück macht auch mit. Jetzt müssen wir nur noch das bei der Klein Windhoek Schlachterei vorbestellte Fleisch finden. Dafür lassen wir Norbert und Mona von Pegasus, die uns persönlich abholen, einige Zeit warten, während eine der Hotel-Angestellten den ganzen Keller durchwühlt. Sie taucht dann mit einer riesigen Box wieder auf. 6,5 Kilo! Na, ob wir das alles schaffen…

Bei Pegasus angekommen steht unser Nissan Hardbody D/C mit Dachzelt schon auf dem Hof bereit. Davon gibt's kein Bild, daher hier ein Foto von später am Tag:



Das Schiff wird uns von Norbert ausführlich erklärt und demonstriert. Küchenkiste, erster und zweiter Ersatzreifen, Allrad, Zeltaufbau. Eine Weile sitzen wir dann bei Mona im Büro und klären die Formalitäten. Aber zuerst müssen wir Fotos von verunfallten Touristenautos aus der AZ begutachten. Sie sind zu schnell gefahren. Dann wird unsere Route kritisch unter die Lupe genommen und wir müssen uns ein paar mütterlich-strenge Warnungen anhören à la „Spreetshoogte Pass? Naja, den KANN man fahren…. Aber langsam!“ – „Gaub Pass? Kann man auch fahren. Aber langsam“. Okay. Verstanden. Langsam.

Wir entscheiden uns spontan, gar keine „Versicherung“ bzw. Reduktion der Selbstbeteiligung abzuschließen. In Botswana nützt uns das sowieso wenig und wir hoffen einfach mal, dass wir nicht mehr als einen Reifen plattfahren. Mit Norbert haben wir noch eine längere Diskussion, ob er uns denn nun Diesel-Kanister mitgibt. „Der Tank fasst 80 Liter, damit kommt ihr locker 500 Kilometer. Oder wollt ihr durch den Chobe?“ Der Tonfall sagt aber eher „wollt ihr ETWA durch den Chobe?!“. Upps. Sorry. Ja, wollen wir. Die Kanister will er trotzdem nicht so recht rausrücken, weil sie „bei dem ganzen Gehubbel immer auslaufen und den Teppich versauen“. Nach einigem Hin und Her bekommen wir dann doch einen – aber nur weil wir versprechen, ihn wenigstens noch in Müllsäcke einzupacken. Ich hatte eigentlich vorher alles genau durchgerechnet und war mir ziemlich sicher, dass es ohne einen zweiten Kanister sehr, sehr eng werden könnte… aber die ganze Situation, all die Infos und Gedanken, die in meinem Kopf schwirren, lassen mich das dann doch weniger vehement vertreten. Vielleicht habe ich auch übervorsichtig kalkuliert? Ich ahne irgendwie, dass das ein Fehler sein könnte, aber es bleibt bei einem Kanister.

Nach eineinhalb oder zwei Stunden, rollen wir dann schließlich vom Hof. Ich hatte mir eigentlich die Maerua-Mall als Einkaufsstopp ausgeguckt, aufgrund des gut ausgestatteten Spar (die Einkaufsliste habe ich natürlich vorher schon zusammengeschrieben). Norbert empfiehlt uns dann aber irgendeinen anderen Supermarkt, zu dem er uns, voranfahrend, netterweise noch kurz rumbringt, damit wir uns nicht gleich am Anfang verfahren. Ich habe im Forum vorab ein paar zu viele Threads über Sicherheit beim Einkaufen gelesen und bin nervöser als sonst auf Reisen. Der Einkauf dauert eine ganze Weile, was allerdings weniger daran liegt, dass ich Fotos von der „Küstenbutter aus Schleswig-Holstein“ und der Lebkuchen- und Stollen-Sektion machen muss, sondern einfach an der schieren Menge der Dinge, die wir einladen. 200 Euro ärmer verlassen wir dann irgendwann endlich auch diesen Zwischenstopp.



Nachdem wir unser – natürlich nicht ausgeraubtes – Auto unter Beobachtung sämtlicher Typen, die auf dem Parkplatz zu rumhängen, im Schnelltempo mit den Einkäufen vollgestopft haben, geht’s weiter zu Radio Electronic, das Satellitentelefon abholen. Und dann, endlich, richtig los. Die ersten Kilometer noch auf Asphalt, biegen wir irgendwann mit beschwingtem Gefühl auf die C-26 ab, die uns über Schotter zum Spreetshoogte Pass führen soll. Norbert hat uns geraten, den Reifendruck, auch auf Schotter, bei 2,5 zu lassen – was sich zwar etwas ruppeliger fährt, aber verhindert, dass die scharfen Steine die Reifen seitlich aufschlitzen. Klingt für uns logisch, also ist das einzige, was wir zu Beginn der Schotterstraße tun müssen, die Staubklappe zu öffnen. In der Hoffnung, dass wir das nie vergessen…



Leider ist bei der Umpackaktion am Vorabend ein Detail auf der Strecke geblieben: Der FM-Transmitter mit Doppel USB-Anschluss liegt noch stoßfest verstaut in meinem Wanderschuh, der natürlich verpackt in einer Tüte in der Mitte meines Rucksacks feststeckt. Kurzfristig kein Drankommen. Also verläuft unsere erste Tagesfahrt über den Spreetshoogte-Pass landschaftlich schon beeindruckend aber musikalisch etwas minimalistisch.



Natürlich machen wir auch die obligatorischen Fotos von der Passhöhe, aber irgendwie ist kein so richtig vorzeigbares dabei. Der Pass selbst fährt sich dank der Pflasterung (dass sich jemand echt diese Mühe gemacht hat!) völlig okay, aber die Serpentinen sind schon eng und wir fahren, Monas Warnung von heute morgen noch im Kopf, langsam.



Erst traue ich mich selbst noch nicht recht an das Fahren heran – nicht wegen des Linksverkehrs, der mir immer ganz gut von der Hand geht, es liegt eher an der Tatsache, dass ich in Deutschland mangels eigenen Autos fast nie fahre, und erst recht keinen zehn Meter langen und fünf Meter breiten Pick-Up. Kurz hinter dem Spreetshoogte-Pass merke ich dann aber, dass ich mich nicht mehr lange drücken kann und erlebe meine erste Fahrt auf Schotter. Eigentlich ganz okay… die Straße ist hier recht gut und das geht daher ganz passabel. Doch so ganz hundertprozentig wohl fühle ich mich mit dem Gefühl, kaum Grip zu haben, am Anfang noch nicht. In Solitaire machen wir einen Tankstopp. In Südafrika hatte ich immer das Talent, Tanksäulen beinahe zu rammen, da der Tankdeckel auf der Beifahrerseite war. Zum Glück scheint er aber diesmal auf der Fahrerseite zu sein. Trotzdem: Wir merken beide langsam, dass wir müde werden.

Aber es hilft ja nichts. Wir wussten vorher, dass dieser Tag anstrengend wird, jetzt müssen wir da durch. Also geht es munter weiter. Wir genießen natürlich die grandiose Landschaft. Leider war uns nicht klar, dass die Straße zwischen Solitaire und Sesriem, zumindest jetzt, zu Ende der Saison, eher einem zerfurchten Flussbett als einer Schotterpiste gleicht. Auf den Längsrillen gefühlt fast mehr schlingernd als fahrend versuche ich todesmutig, mit mindestens 60 km/h noch die letzten 80 Kilometer des Tages hinter uns zu bringen. Irgendwann habe ich ein anders Auto hinter mir kleben, der mich aber einfach nicht überholt und damit zusätzlich stresst. Und die Straße wird immer schlimmer. Irgendwie fühle ich mich gedrängt. Kurzzeitig wird mir alles irgendwie zu viel und ich möchte am liebsten aufgeben. Aber wie soll dann bitte der Rest des Urlaubs werden, wenn ich nicht fahre? Lukas redet auf mich ein. Also muss ich da durch.

Irgendwann überholt das andere Auto endlich. Kurz darauf hält es links an und es gibt einen Fahrerwechsel. Sie steigt auf der Fahrerseite aus, er ein – und wir stellen amüsiert fest, dass sich wahrscheinlich in der Fahrerkabine dieselbe Szene abgespielt hat wie bei uns. Das motiviert mich jetzt ehrlich gesagt ein bisschen, anders als unsere Verfolgerin doch durchzuziehen. Irgendwann ist das schlimmste Stück Längsfurchen-Schlagloch-Stein-Rüttel-Piste geschafft und ich bin eigentlich ziemlich gut durchgekommen. Langsam bekomme ich ein Gefühl dafür, was ich tue.

Dass die Konzentration jetzt allerdings dem Ende zugeht, zeigt sich kurz danach. Immer noch etwas gedrängt durch das andere Auto, das jetzt dank des Fahrerwechsels schon wieder hinter mir ist, fahre ich etwas zu schnell auf ein Gatter zu. Dass der Bremsweg auf Schotter nicht nur länger, sondern gefühlt acht Mal so lang ist, lerne ich jetzt etwas schmerzhaft, denn das Auto gerät, wenige km/h zu schnell für diese Stelle, gefährlich ins Schlingern und ich schramme beinahe seitlich gegen die Gatterbegrenzung aus Beton. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, auch wenn die Geschwindigkeit insgesamt nicht wirklich hoch war. Irgendwie schaffe ich es aber, die richtige Kombination aus Gegenlenken, Nichtlenken und Pedalbetrieb zu finden und schlingere mich noch gerade mal so durch… puh. Adrenalin fließt und lässt mich das letzte Stück hochkonzentriert fahren. Als ich dann gegen 17 Uhr oder 17:30 Uhr vor der Rezeption das Auto zum Stehen bringe, merke ich aber, dass ich jetzt wirklich kaputt bin. Und froh darüber, diesen wahrscheinlich härtesten Fahrtag der Reise hinter uns gebracht zu haben.



Unsere Campsite auf dem Campingplatz von Sesriem liegt eigentlich ganz nett relativ weit hinten und eher außen, und wir empfinden sie, anders als oft gelesen, eigentlich als sehr entspannt. Neben uns campiert ein Overlander mit einigen Zelten, aber es scheint eher eine ruhige Truppe zu sein. Jetzt stellt sich dann auch wieder echte Begeisterung ein, dass wir hier sind, und all das erleben dürfen!

Allerdings gleich das Auto eher einem Chaoshaufen. Wir versuchen zwar, ein wohlverdientes Sundowner-Bier zu trinken, verbringen aber dann doch mehr aufgescheucht als entspannt den Rest der Abenddämmerung damit, unsere Einkäufe, die ohne Konzept in verschiedensten Beuteln, Kisten und Tüten herumliegen, zu sortieren, Bettwäsche zu beziehen, in Küchenkisten und Rucksäcken zu kramen und mit minimalen Werkzeugen Salat zu machen. Relativ schnell bekommen wir dann auch mithilfe von drei Anzündern – ja, Anfänger pur, aber für heute ist auch das ein Erfolg – das Feuer zum Laufen. Inzwischen ist es schon komplett dunkel. Heute gibt es Oryx, das vorzüglich schmeckt. Viel zu spät kriechen wir dann schließlich um 23 Uhr erschöpft aber erwartungsfroh in unser Zelt. Um 4 Uhr soll schon der Wecker klingeln … ob das gutgeht?

Utensil des Tages: Sonnenbrille. Und Tankdeckel, die auf der richtigen Seite sind.
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Wie ärgerlich, jetzt habe ich den Bericht doch ein wenig schleifen lassen. Notiz an mich selbst: Weniger perfektionistisch bei der Texterstellung sein ;-) Hier kommt der nächste Teil:

Tag 3 – Sand, viel Sand

Es ist spätabends, wahrscheinlich schon nach Mitternacht. Ich wälze mich im Dachzelt hin und her. Eigentlich finde ich es ganz gemütlich, doch ich kann einfach nicht schlafen. Diesen Zustand kenne ich leider von meiner Alpenüberquerung. Ich bin einfach zu aufgeputscht mit Adrenalin, Cortisol und was weiß ich noch, und der Druck, jetzt UNBEDINGT schlafen zu müssen, hat wohl noch niemandem geholfen. Und dann geht es leider erst so richtig los. Ich höre Autos. Autos? Hier, um die Zeit? Bevor ich anfangen kann, mich zu gruseln, wird aber klar, was die Ursache ist: Offenbar kommen jetzt noch Leute an. Was zur Hölle? – denke ich mir, und frage mich ernsthaft, wie man um diese Uhrzeit überhaupt noch auf den Campingplatz kommt, hier, im Nirgendwo. Aber ich unterstelle erstmal nichts Böses, so ein Zelt ist ja auch in ein paar Minuten aufgebaut. Denke ich. Und dann liege ich da, und höre gefühlt stundenlang einer Gruppe von Menschen zu, die laut reden, sich Dinge zurufen, lachen und Bier trinken. Jetzt kommt zu Adrenalin auch noch Wut dazu. Ausgerechnet die Ohropax sind leider noch nicht im Zelt deponiert, wie ich es eigentlich geplant hatte, für eben genau solche Fälle. Aber weil es bis 23 Uhr ruhig um uns herum war, habe ich darauf verzichtet, sie noch rauszukramen. Es wäre der einzige Tag, an dem wir sie gebraucht hätten.

Irgendwann muss die Müdigkeit dann doch gesiegt haben, denn ich werde um vier Uhr unsanft vom Wecker aus dem Schlaf gerissen. Nein. Keine Chance, jetzt aufzustehen. :dry: Ich fühle mich, als hätte ich eine Flasche Wein getrunken. Wir werfen also unseren Plan über Bord, stellen den Wecker auf fünf, und schlafe noch eine Stunde. Dann halt kein Sonnenaufgang. Schlaf ist wichtiger. :woohoo:

Als wir dann um fünf aus dem Zelt kriechen, sind wir zwar müde – aber das Gefühl der Morgenstimmung, und die Erkenntnis, jetzt hier in Namibia aufzuwachen, ist der Wahnsinn. Und so starten wir nicht enttäuscht, sondern trotz allem sehr erwartungsfroh in den Tag. Nur die akustische Kulisse erinnert eher an eine deutsche Autobahn in der Ferne – ein gleichmäßiges Rauschen. Das muss wohl die berühmt-berüchtigte „Rallye“ sein, und wir sind eigentlich nicht ganz unglücklich, uns nicht von gehetzten Fotojägern zum Rasen drängen zu lassen.





Als wir uns auf dem Weg machen, ist die Sonne gerade aufgegangen. Ein bisschen wehmütig bin ich schon, dass wir diese schöne Lichtstimmung jetzt nur aus dem Auto erleben. Andererseits können wir entspannt in die immer größer werdenden Dünen reinfahren, ohne viel Verkehr.



Die Landschaft ist schon hier der Wahnsinn. Ich bin begeistert, hier sein zu dürfen. Fasziniert sehen wir die Menschenschlange auf der Düne 45.



Auf diese Massenveranstaltung haben wir nicht so Lust. Also geht es weiter, ohne Stop direkt bis zum 2x4 Parkplatz. Nach langem Überlegen haben wir uns entschieden: Wir möchten gerne das Dünenmeer möglichst für uns allein haben – auch wenn es dann eben nicht die Top-Attraktion ist. Deshalb haben wir vor, zu allererst das Hidden Vlei zu erwandern. Am Parkplatz wechseln wir also in unsere Wanderschuhe (eine gute Entscheidung, wie sich herausstellen wird, wir haben keinerlei Sand im Schuh). Am Rand des Parkplatzes sehen wir ein Schild mit der Aufschrift „Hidden Vlei“ und einem Pfeil. Direkt dahinter beginnt das Nirgendwo. Von einem Weg keine Spur. Zum Glück habe ich vorher die App maps.me installiert, die auch diese Wege eingezeichnet hat. Wir laufen einfach quer ins Sandfeld.

Wir sind noch nicht allzu weit gekommen, als wir von einem anderen jungen Pärchen angesprochen werden, Spanier, sie haben dasselbe Ziel, finden aber den Weg nicht. Na, da können wir helfen! Gemeinsam stapfen wir also durch den Sand, aber nach einer Weile trennen sich unsere Wege, da wir uns immer wieder mit Fotostopps aufhalten.



Wir folgen nicht dem gekennzeichneten Weg, sondern nehmen einfach einen beliebigen Weg über die Dünen in Richtung Hidden Vlei. Irgendwann erreichen wir den Kamm einer etwas höheren Düne und haben einen tollen Ausblick ins Vlei. Die beiden Spanier sind noch unten, sonst ist es komplett verlassen. Ein Traum. Wir quatschen noch kurz, dann machen sich die beiden auf den Rückweg und wir haben das Vlei für uns alleine.



Wir machen die obgliatorischen Spaßfotos mit den wenigen toten Bäumen, die es auch hier gibt, bewundern den spektakulär aufgebrochenen Boden und genießen die Atmosphäre, völlig allein, in der Wüste. Mich interessiert die Akustik und da wir so ganz allein sind, hören wir spaßeshalber ein paar Takte von „Have You Ever Seen the Rain“. Was für ein Ort, um dieses Lied zu hören. Was für ein Moment, hier zu sein.



Ich möchte mich eigentlich gar nicht losreißen, aber zumindest das Dead Vlei wollen wir trotzdem noch besichtigen. Langsam fängt es an, heiß zu werden. Wir machen uns also auf den Rückweg, es tut gut, zu Fuß, unterwegs zu sein. Wir erleben diese Dünen so intensiv, weil wir uns mit eigener Kraft durch sie hindurchbewegen. Und irgendwann auf halbem Weg sehen wir, dass wir nicht allein sind: Da ist tatsächlich ein Oryx-Bulle, der seelenruhig vor einer Düne "grast".



Damit hatten wir nie gerechnet und was wir fühlen ist eine Mischung aus Euphorie und Respekt. Der Bulle scheint recht entspannt, aber wer will schon an seinem dritten Tag in Namibia von einem Oryx aufgespießt werden. Interessanterweise scheinen wir ihn immer nur dann zu stören, wenn wir zu lange stehen bleiben. So als wüsste er, dass wir, sollten wir Jäger sein, nur dann zum tödlichen Schuss ansetzen können, wenn wir stehenbleiben. Dann sieht er uns intensiv an. Sobald wir weitergehen, ignoriert er uns. Der Blick dieser Tiere, wenn man ihnen zu Fuß begegnet, hat etwas zutiefst Faszinierendes, das habe ich schon auf unserem Trail in Südafrika festgestellt. Wir versuchen ihm möglichst viel Raum zu geben und ziehen vorbei.



Zurück am 2x4 Parkplatz kommt es uns auf einmal fast bescheuert vor, in den rummeligen Touri-Safariwagen zu steigen und noch das Massenprogramm mitzumachen. Aber einen kurzen Abstecher sollten wir wohl noch machen. Am Deadvlei ist es dann, im Kontrast zu unserer Tour vorher, voller Menschen und wir sind froh über unsere Entscheidung. Hier fühlt man sich im Vergleich wie im Museum. Wir haben das Gefühl, ein kleines Geheimnis zu haben, etwas nur für uns entdeckt zu haben. Dem Deadvlei statten wir also nur einen kurzen Besuch ab, auch wenn es sich im Vlei selbst auch langsam leert und die Restmenschen sich ganz gut verteilen.



Natürlich sind die Bäume hier nochmal beeindruckender, der weiße Boden fotogener… aber die Stimmung ist eben touristischer. Naja gut, vielleicht tue ich dem ganzen etwas unrecht. Inzwischen ist es eben auch einfach super heiß. Witzigerweise treffen wir auch nochmal auf das neuseeländische Pärchen aus Joe’s Beerhouse – die in FlipFlops auf Big Daddy gestiegen sind. „Wie lange hat das gedauert“ – „Mehrere Stunden, glaube ich“. – Okay… nächstes Mal vielleicht :woohoo:

Um 11 machen wir uns also auf den Rückweg und da wir inzwischen auch recht platt sind und genug erlebt haben, lassen wir das Sossusvlei und den Canyon ganz ohne Bedauern einfach weg und machen uns direkt auf den Weg zu unserem nächsten Campingplatz Hauchabfontein.

Schon auf dem Weg gefällt uns die Landschaft, und unsere Campsite in Hauchabfontein – Hygia oder so in der Art – hat einen tollen Ausblick auf die Berge. Man fühlt sich fast wie in der Prärie. Die Site ist außerdem riesig und von Nachbarn keine Spur. Mal wieder dauert es ein paar Minuten, bis wir den perfekten Stellplatz für das Auto gefunden haben.



Wir fühlen uns sehr wohl hier, aber da wir kurz vorm Hitzeschlag stehen, müssen wir unbedingt baden ! Und was für ein Bad das ist. Wir steigen einfach in den ersten Rock Pool, der zu Fuß von der Campsite aus zu erreichen ist (Edith hatte uns vorher erklärt, wo man überall baden kann). Und steigen einfach rein. Hochgradig erfrischend. Auch wenn das Wasser auf den ersten Blick etwas bräunlich und matschig wirkt, links ist es tiefer, und von irgendwo weit unten kommt kaltes, sehr kaltes Wasser – bei ungefähr 40 Grad das beste, was ich mir in diesem Moment vorstellen kann. Und es gibt sogar kleine Schildkröten. Der erste Rock Pool von der Campsite aus gesehen war übrigens der beste, die anderen waren dann deutlich trüber.



Zurück an der Campsite geht es duschen. Die Ablutions sind okay, aber es gibt hier schon viele Mücken, Insekten und Spinnen. Ich mag keine Spinnen und muss mich ein bisschen zusammenreißen. Aber geht schon. Und jetzt merke ich auch das erste Mal, wie verrückt eigentlich dieser Südwester ist: Ich kämme meine Haare neben dem Auto. Nach fünf Minuten sind sie trocken.



Abends grillen wir eine große Fleischauswahl und sind entspannt und glücklich.



Irgendwann stehe ich am Feuer und schichte ein paar Holzscheite um, als plötzlich etwas sehr, sehr großes in meinen Lichtkegel gerannt kommt. "Skorpion" rufe ich sofort, und mache einen Satz nach hinten. Tatsächlich ist es aber ein ziemlich riesiges Exemplar einer Walzenspinne. Dank meiner ausführlichen Lektüre dieses Forums weiß ich, dass es durchaus auch eine Forumsnutzerin gibt, die dieses Vieh unter ihrem T-Shirt hatte, und ich muss sagen, das wäre eines der schlimmsten Dinge, die ich mir vorstellen kann. Wie gesagt: Ich mag keine Spinnen. Ganz und gar nicht. Besonders, wenn sie sich bewegen ... Komischerweise kann ich mich meistens ganz gut zusammenreißen, solange ich nicht mit den Spinnen in einem Raum bin. Das Problem: Statt im Licht zu erstarren, wie jede andere normale Spinne auch, läuft sie direkt in meinen Lichtkegel rein und scheint sich besonders gerne da drin aufzuhalten. Ich fliehe erstmal zurück zu meinem Stuhl, zum Glück, ohne, dass sie mich verfolgt. Aber ich muss zugeben: Solange das Riesenvieh am Feuer sitzt und nicht an mir, bin ich auch ein bisschen fasziniert. Ich schleiche mich also wieder zurück, um sie halb angewidert und halb neugierig zu beäugen. So eine große Spinne habe ich noch nie gesehen, sie ist bestimmt so groß wie meine gesamte Handfläche.

Nach den ersten Wellen von Schock und Faszination wollen wir das Monster dann doch gerne loswerden um weiter unseren Wein und die Nacht zu genießen, und Lukas versucht, sie mit einem Pfannenwender zur Flucht zu bewegen, was einen ungewollt komischen Effekt hat. Aber das Vieh sitzt einfach nur stur da. Wie erstarrt. Minutenlang. Und jetzt? Aber irgendwann haut sie dann eben doch von alleine ab, in die Dunkelheit. Und ich sitze den Rest des Abends mit meinen Füßen auf dem Stuhl, während ich den wunderschönen Sternenhimmel betrachte... :whistle:

Utensil des Tages: maps.me – das Hidden Vlei hätten wir ohne vielleicht nicht gefunden
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Danke für eure positiven Rückmeldungen, freut mich, dass ich trotz der "üblichen Pfade" noch für ein wenig Unterhaltung sorgen konnte :) Hier kommt der nächste Teil!



Tag 4 – Einsamkeit

Es ist morgens um sechs – fast ausschlafen. Gestern Abend habe ich mir vorgenommen, dass es wunderbar sein wird, morgens aufzuwachen, aus dem Zelt zu schauen und als allererstes die Aussicht zu genießen. Das ist es auch – und ich habe hier in der Einsamkeit (#1) ziemlich erholsam geschlafen.

Das einzige Problem: Ich werde nicht vom Wecker wach, sondern von dem Schmerz in meinem Finger.

Am ersten Camping-Abend in Sesriem hatte ich mich beim Kochen im Dunkeln und im Chaos an der scharfen Kante einer Dose geschnitten, aber nur ganz oberflächlich, sodass ich das weitestgehend ignoriert habe. Ging auch alles gut – bis gestern Abend. Ich hatte wohl unterschätzt, wie sehr die Hände beim Camping ganz einfach strapaziert werden: Dachzelte auf- und abbauen, Feuerholz umschichten, in Rock Pools klettern, Limetten auspressen und mit rohem Fleisch hantieren. Und das alles am Anfang noch längst nicht so routiniert wie am Ende. Spätestens beim ausgeprägten Limettensaftschmerz gestern Abend habe ich das dann auch mal gemerkt – und über Nacht muss sich der kaum vorhandene Schnitt dann entzündet haben. Jedenfalls pulsiert mein ganzer Finger. Lukas bezeichnet das, wie die meisten meiner üblichen Urlaubs-Wehwehchen, als „nicht so schlimm“. Ich kann mich gegen einen kurzen Moment der Sorge allerdings nicht wehren, in dem ich mich schon in Swakopmund nach Ärzten suchen. Ich versuche aber so gut es geht, meinen inneren Hypochonder zu ignorieren.

Nach einem schnellen Müslifrühstück geht es ungefähr um sieben los: Köcherbaumwald! Wir hatten Edith nach der geführten Tour gefragt, sie hat uns aber empfohlen, einfach alleine hinzuwandern. Wir können uns nichts Besseres vorstellen, denn wir wollen raus und uns bewegen! Es ist fast noch ein bisschen kühl, als wir voller Energie losstapfen, uns selbst durch das Tor auf der anderen Straßenseite lassen und den ersten Hügel erklimmen. Von oben haben wir einen tollen Rückblick auf die Landschaft, in der wir uns befinden.



Und so wandern wir eine ganze Weile durch tolle Berglandschaft. Bergzebras, die man hier wohl manchmal finden kann, sehen wir leider keine, aber eine Horde Paviane scheint uns von oben zu beobachten und sich immer mal wieder unseren aktuellen Standpunkt zuzurufen. Wir sind hier ganz und gar alleine – Einsamkeit #2 – ein tolles Flair. Schon relativ früh sehen wir ein paar Köcherbäume in der Ferne, schön, sein Ziel vor Augen zu haben. Doch der Weg ist weiter, als es aussieht, für eine ganze Zeit wollen sie einfach nicht näherkommen.



Irgendwann verlassen wir, mit einem abenteuerlichen Gefühl, auf Ediths Beschreibung hin den eigentlichen Weg und laufen querfeldein in Richtung des gegenüberliegenden Bergsattels, durch ein ausgetrocknetes Flussbett, und bergauf. Und dann sind wir endlich da, umringt von diesen tollen Bäumen. Wie ein wirklich dichter Wald sieht es zwar nicht aus, es sollen angeblich über tausend Bäume sein, und wir vermuten, dass der Wald sich noch ein ganzes Stück über die Hänge zieht, jenseits der Kuppeln. Da wir aber heute noch bis nach Swakopmund fahren müssen, bleibt keine Zeit, die Höhen hier weiter zu erkunden, was auch nicht schlimm ist. Wir machen also eine homöopathische Pause sowie eine ordentliche Zahl Fotos, und dann geht es auch schon wieder auf den Rückweg.



Insgesamt brauchen wir trotz sportlichen Schritttempos ungefähr dreieinhalb Stunden für die Tour hin und zurück – ohne nennenswerte Pausen. Seit etwa 10 Uhr wird es außerdem immer heißer. Auf den letzten Metern schleppe ich mich ganz schön dahin. Immerhin hat der Finger ganz gut mitgemacht. Vielleicht muss er doch nicht amputiert werden.

Die Bilanz: Dreieinhalb Liter Wasser haben wir auf der Tour getrunken, hat knapp gereicht. Es war eine wirklich sehr schöne Wanderung, die ich sehr empfehlen kann. Gerade das Alleinsein in der angenehmen Landschaft haben wir genossen. Es sind nicht viele Höhenmeter, aber einiges an Strecke, etwa 20 Kilometer vermutlich. Man sollte, zumindest zu dieser Jahreszeit, nicht später als halb 8 losgehen, einen Hut oder Tuch mitnehmen, zwei Liter Wasser pro Person und ein paar Snacks.

Zurück auf der Campsite macht Lukas mir ein bisschen Beine, mich nicht zu lange auszuruhen, was ich kurzzeitig etwas grummelig kommentiere, da ich mich sehr hitzig, schlapp und staubig fühle. Zum Glück darf ich immerhin duschen. :woohoo: Er räumt derweil schon rum – er hat sich ein bisschen zum Ordnungsminister ernannt und entwickelt nach und nach das optimale Packsystem für den Aufbau, während ich eher für die primitiven Dinge wie Feuer und Fleisch zuständig bin. Aber er hat recht mit der Eile – denn wir haben noch viel Strecke vor uns, auf der wir uns keinesfalls hetzen wollen, um nicht den verfrühten Tod des rasenden Touris sterben zu wollen. Dazu kommt: Heute fahren wir ausgerechnet den Teil, auf dem in den letzten zwei Monaten häufiger mal Touristenautos ausgeraubt wurden. Da ich deutlich zu viele Artikel über die Überfälle gelesen habe, verstaue ich Pass und Kreditkarte heute in einem Bauchgürtel, wofür ich hochgezogene Augenbrauen von Lukas ernte.

Nach einem kurzen zweiten Frühstück geht’s dann also los – ich fahre. Wir nehmen den Weg über Büllsport. Und mal wieder habe ich furchtbar zerfurchte Straßen erwischt. Heute geht’s mir damit aber deutlich besser, auch wenn ich trotz allem auf einigen Stücken nicht schneller als mit 60 vorankomme und mindestens von einem anderen Fahrer ausgelacht werde. Die Landschaft jedenfalls ist sehr panoramisch, und ich kann jedem nur empfehlen, diese Strecke zu fahren.

Nach bestimmt zwei Stunden landen wir dann wieder in Solitaire und machen unseren zweiten Tankstop, den Apfelkuchen gönnen wir uns nur zum Mitnehmen.








Und dann geht’s auf in Einsamkeit #3 – stundenlang durchs Nirgendwo. Auf dieser Strecke ist kein Ort, kein Dorf, kein Garnichts, und wir sind sehr froh, dass wir mittlerweile den FM-Transmitter aus dem Stiefel geborgen haben, denn ohne Musik kann das Nirgendwo auch öde werden. So faszinieren uns dann auf der Strecke auch alle Details, die es zu sehen gibt. Das Highlight sind merkwürdige Straßenschilder von einem merkwürdigen Gefährt, das wir kurz darauf leibhaftig bestaunen dürfen: Das kuriose Planier-Mobil, das die von Touris zerfahrenen Schotterstraßen wieder glattzieht.

Irgendwo in der Mitte der Strecke kommen wir dann an den Pässen vorbei, in denen es zwar nicht sehr steil, aber doch sehr kurvig ist. Auch hier habe ich wieder Monas Warnung im Kopf: „Gaub-Pass? Kann man fahren. Aber langsam.“ Okay Mama. Auf Schotter fahren sich solche Kurven aber tatsächlich ganz anders, und ich rufe nicht nur einmal laut „langsam, langsam, noch langsamer!“. Die Landschaft ist hier teilweise wirklich sehr schön – rauh, aber schön – nur muss ich leider auch zugeben, dass wir aufgrund der Berichte zu den Überfällen an diesem Tag ein wenig gehemmt sind und uns nicht so recht trauen, großartig anzuhalten. Viele Fotos entstehen dementsprechend nicht.



Irgendwo zwischen Gaub-Pass und Kuiseb-Pass passiert es dann: Ein weißer Geländewagen steht ganz merkwürdig mittig und leicht schräg auf der Straße, in einem besonders kurvigen Stück. Wer würde bei vollständig vorhandenem Verstand an dieser Stelle anhalten? Die Straße ist hier besonders unübersichtlich, und man könnte einen Stopp an dieser Stelle durchaus als lebensmüde bezeichnen. Wir beide haben deshalb sofort denselben Gedanken, dass hier etwas nicht stimmt. Ich bin Beifahrer in diesem Moment und es ist, als hätte ich mich gedanklich schon auf so etwas vorbereitet. „Halt auf keinen Fall an und versuch, so schnell es gerade noch so geht an der Seite vorbeizufahren“. Ich sehe vor meinem inneren Auge schon die Männer mit Äxten aus dem Auto springen. Als wir langsam, aber eben doch schneller als im Schritttempo, vorbeifahren kommt es fast zum Crash, weil das andere Auto auf einmal anfängt, langsam rückwärts zu fahren. Es geht alles ziemlich schnell. Ich hätte an dieser Stelle mal einen Blick in das andere Auto werfen sollen, aber irgendwie erscheint es mir in diesem Moment wichtiger, die Straße im Blick zu halten, die kurz danach eine enge Kurve um eine steile Felswand macht. Und dann sind wir schon vorbei, zum Glück ohne Crash, aber auch ohne so richtig zu sehen, was das jetzt eigentlich war. Wir sind froh, dass wir vorbeigekommen sind, aber immer noch unsicher. Es ist so einsam hier (#4). Da kann man schon mal paranoid werden. Die Unbeschwertheit ist für den Moment auf jeden Fall dahin und während wir weiterfahren werfen wir immer mal wieder einen Blick in den Rückspiegel, ob wir verfolgt werden. Anfangs nicht, doch irgendwann am Kuiseb-Canyon taucht hinter uns dann wieder ein weißes Auto auf, das hinter uns kleben bleibt und nicht überholt, auch wenn wir extra langsamer werden, um es vorbei zu lassen. Ist das jetzt ein völlig verwirrter Touri oder jemand, der auf die nächste Gelegenheit wartet? Als wir dann aber wieder ebenes Gelände erreichen, überholt es uns dann endlich – und wir sehen, dass es definitiv Touristen sind, zwei Männer und eine Frau im etwas fortgeschritteneren Alter. Und sie fahren einfach nur wie die Verrückten. Viel zu schnell. Mittig über die Kuppe. Alles, was man nicht tun soll. Manchmal machen sie Fotostopps, stehen mitten auf der Straße, und springen auch nach mehrmaligem Hupen erst in der letzten Sekunde von der Fahrspur. Offenbar wollten sie vorhin im Canyon auch „nur“ Fotos machen. Klar, da fährt man auch mal mittig auf einer Kurvenstraße rückwärts, ohne nach hinten zu schauen – warum nicht! Wenn ich dieses Fahrverhalten sehe, wundert mich auch überhaupt nicht mehr, warum hier sich hier so viele Touris ins Jenseits schießen. Und so tauschen wir Angst gegen Wut, auf diese Menschen, die uns mit so leichtsinnigem Verhalten Angst eingejagt und diese schöne Fahrstrecke ein bisschen weniger schön gemacht haben. :dry:



Nach den Kurven kommt – das große Garnichts. Stundenlang geht es einfach geradeaus, links und rechts sieht es nicht anders aus als auf der Straße. Überall nur Schotter, keine Bäume, keine Tiere, ganz selten mal größere Felsen. Es ist wie auf dem Mond. Es ist faszinierend, aber auch sehr langweilig.





Irgendwann tauchen auf einmal dunkle Wolken vor uns auf, und wir merken, wie selbstverständlich die ständige Sonne schon nach so wenigen Tagen für uns geworden ist. Die Stimmung ist dadurch faszinierend, aber wir sind jetzt auch müde – nach unserer Wanderung, nach vielen Stunden Fahrt, nach Angst und Wut und Eintönigkeit.



In Swakopmund haben wir uns im Salty Jackal Backpackers ein Doppelzimmer gebucht. Eigentlich hätten wir auch gerne was Netteres gehabt, aber jenseits vom Billigsegment waren uns die Preise dann doch etwas zu hoch. Dann lieber im Zentrum ins Hostel. Im Hostel sind alle super nett und wir werden freundschaftlich empfangen. Unser Zimmer hat allerdings zwei Einzelbetten statt einem Doppelbett, riecht etwas feucht, und das „private“ Bad liegt auf dem Gang und wird neben uns auch noch vom Eigentümer des Hostels benutzt. Ich freue mich jetzt schon, bald wieder im Zelt zu schlafen. Ich bin aber froh, dass wir das nicht tun – denn als es langsam dunkel wird, wird es tatsächlich recht frisch. Außerdem ist die Stimmung hier sehr entspannt und so ist es auch mal wieder ganz nett, nachdem wir eine so erwachsene Reise machen, von jüngeren Leuten und Backpacker-Flair umgeben zu sein.

Abends gehen wir dann noch eine Runde spazieren und gehen ins Fisch-Bistro, wo wir eine recht leckere Meeresfrüchte-Platte verspeisen. Es ist auch nett, nach den paar Tagen in der Wildnis mal wieder in einer Stadt zu sein. Als ich mich dann abends ins Bett lege, dauert es zwei Sekunden, bis ich eingeschlafen bin.

Utensil des Tages: Erste-Hilfe-Set. Desinfizieren hilft.
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So – es geht endlich weiter!

Tag 5 – Wüste trifft Meer

Heute werden wir um 8 Uhr morgens – nach einem kurzen Müslifrühstück und, verdammt nochmal, schon wieder nicht Ausschlafen! :laugh: – von Batis Birding zur Little Five Tour abgeholt. Ich bin ein bisschen fasziniert von Namibia, wie pünktlich und gut organisiert alles ist. Tatsächlich lassen wir sogar unseren Guide, der uns abholt, warten, weil wir natürlich mal wieder irgendwas im Zimmer vergessen haben. Man braucht ja auch immer ein ordentliches Arsenal an Dingen. Sonnencreme, Sonnenbrille, Hut, aber dieses Mal eben auch ne Fleecejacke, die übrigens bisher tatsächlich so ziemlich jeden Abend zum Einsatz gekommen ist. Ich habe das System von zwei Fleecejacken entwickelt – eine für abends am Feuer (wobei das arbeitssicherheitsmäßig auch ein Spiel mit dem, hö hö, Feuer ist, denn Fleece + Funkenflug könnte irgendwann auch lustig werden) und mein sogenanntes „Schlaffleece“ das ich immer in einer nervig knisternden Plastiktüte am Fußende im Zelt deponiert habe. Bisher habe ich’s noch nicht gebraucht – hätte ich aber, wenn wir die letzte Nacht gecampt hätten. Also die Entscheidung für eine feste Unterkunft in Swakopmund war schonmal gut.

Heute geht es dann also wieder in die Wüste. Ich stelle fest: Immer noch Namib, doch sieht es hier nochmal anders aus. Es gibt mehr Pflanzen, mehr flachen Lehmboden und auch die Farbe ist anders. Ich freue mich, dass wir diesen Stop nicht weggelassen haben.



Wir sind mit zwei Safarimobilen unterwegs, die aber jeweils nicht ganz voll besetzt sind, um die 12 Leute vielleicht. Alles Deutsche natürlich – war ja klar. Offenbar muss man nur irgendwo „Eco-Tour“ draufschreiben, und man hat deutsche Kunden wie Fliegen. Wobei wir beide den Altersdurchschnitt schon ziemlich senken und wir uns angesichts von so viel Funktionskleidung mit unseren Chino-Hosen, T-Shirts und Strohhüten fast schon unangenehm wie Fashion-Victims fühlen. :whistle:

Wir fahren aus der Stadt raus in die Wüste. Was nicht gerade weit ist, wie man sieht:



Da die Sonne ungewöhnlich früh durchkommt – the heat ist eben on – ziehen die beiden sehr netten und kompetenten Guides die Tour etwas anders auf als sonst und suchen zuerst nach der Schlange, bevor sie sich dann endgültig verkrochen hat. Ich bin noch gar nicht richtig wach, und schon stehe ich leibhaftig einer Schlange gegenüber. Das Tier fasziniert mich schon, wie es sich bewegt, wie es sich eingräbt, wie es – als Angehörige der Puffottern-Familie – tatsächlich „Puff“ macht.



Moralisch übe ich mich etwas im Doppelstandard: Ich versuche zwar einerseits selbst, viele gute Fotos zu machen, andererseits ärgere ich mich innerlich aber auch über den ganzen Rummel und den Kampf um die beste Fotoposition. Ich fühle mich – was ironisch ist, da ich mit Abstand die Jüngste bin – fast schon altmodisch bei dem Gedanken, dass ich es eigentlich viel besser finde, etwas einfach nur zu beobachten und dass es manchmal schon irritiert, wie sehr es Menschen, jung wie alt, darauf ankommt, das perfekte Bild zu machen. Wobei jung und alt dabei offenbar verschiedene Motive haben… Aber ob Inszenierung des Selbst vor der Kamera, oder Inszenierung des Selbst als perfekter Fotograf, so oder so: Die Schlange jedenfalls ist von ungefähr 10 Kameras umringt und einem Klick-Gewitter ausgesetzt, als wäre sie der Star der diesjährigen Berlinale. Mir tut sie ein bisschen leid.



Leid tun mir auch die Pferde hier, die eigentlich nur Schnupfen hatten:



In den nächsten Stunden entdecken wir dann nach und nach die verschiedenen kleinen Tiere der Namib, von Blindschleiche über Eidechse bis Gecko.







Ich mag Tiere, auch kleine Tiere, und habe auf der Tour viel Spaß. Wir lernen eine ganze Menge über deren Überlebensstrategien und das komplexe Ökosystem der Namib. Nur nach dem Chamäleon suchen wir, mit vereinten Kräften, leider vergeblich. Gut finde ich, dass bei Batis Birding die Spinne nicht ausgegraben wird, weil sie zu lange brauchen würde, ihren Bau wieder auszubauen. Naja, Erlebnisse mit Spinnen hatten wir für meinen Geschmack auch erstmal genug… :woohoo:

Mindestens genauso interessant ist aber das komplexe Ökosystem Touristengruppe, also die Beobachtung unserer Mitreisenden. Da ist die eine Dame, die trotz ausführlicher Erklärung nicht zu verstehen scheint, warum man nicht einfach kreuz und quer auf dem flachen Boden herumspazieren soll. Und die sich offenbar nicht im Geringsten wundert, warum wir anderen wie die folgsamen Schäfchen in einer Schlange hintereinander tapsen. Oder der Herr, der uns eine einzige kurze Frage zu unserer Reise stellt, um dann ungefragt einen zehnminütigen Vortrag über seine komplette Reiseroute abzuhalten – ein seltsames Phänomen, das wir bisher nur bei deutschen Touristen festgestellt haben. Oder der andere Kerl, der mit aller Ernsthaftigkeit gerne den schwarzen Käfer essen möchte, weil der ja so viel Wasser enthält und man damit in der Wüste überleben kann – woraufhin er einen Sturm der Entrüstung von der weiblichen Front und sehr verlegene Blicke von den Guides erntet. :blink:

Aber mir ist natürlich bewusst, dass wir auf unsere Mitreisenden vermutlich nicht weniger kurios wirken: Das junge Pärchen, muss ja eigentlich unverschämt reich sein, weil wie kann man sich denn so jung sonst diese Reise leisten (schön wär’s!), dazu noch total falsch angezogen, viel zu schick für ein Outdoor-Erlebnis, so naiv – und wie kann man denn mit Handtasche in die Dünen laufen! :whistle:



Irgendwann gibt es Getränke und Kit-Kat mit Aussicht und ich bin bis heute noch fasziniert von diesem Ausblick, aber auch von diesem Foto, vielleicht mein Lieblingsbild der ganzen Reise, weil es (auch unbearbeitet) so unwirklich aussieht:



Wovon ich allerdings auch fasziniert bin ist Kit-Kat. Ich stelle doch fest, wie schön diese Unterbrechung unserer Paleo-Diät ist. Und was soll ich euch sagen: Ab diesem Tag wird im Supermarkt fleißig zu Schokoriegeln gegriffen! An die bestmögliche Nutzung unseres Kühlschranks müssen wir uns einfach noch gewöhnen.



Und dann ist die Tour auch schon wieder vorbei. Hat Spaß gemacht –den Anbieter würde ich uneingeschränkt empfehlen. Und es ist auch mal sehr entspannt, das eigene Auto und vor allem das Hirn stehen zu lassen, und sich für ein paar Stunden mal auf jemand anderen als sich selbst zu verlassen.



Auf der Rückfahrt sind wir kurz etwas neidisch, als wir vorm Meerkat Guesthouse halten und eines der anderen Paare dort ausgeladen wird. Das sieht nett aus, und ist genauso zentral wie unser Hostel. Beim nächsten Mal würden wir auch gerne hier unterkommen.

Aber auch in unserem Hostel fühlen wir uns immer wohler und wir kommen hier und da mit den Freiwilligen ins Gespräch, die hier arbeiten und die Gäste empfangen, und dafür umsonst wohnen können. Auch kein schlechter Deal. Leider können wir mit unserer Walzenspinnen-Geschichte beim Spinnenliebhaber nicht punkten, denn unser Gesprächspartner hatte neulich einen Skorpion unterm Zelt und zu Hause eine Spinne als Haustier. Na gut. Aber wir lernen, dass die großen Walzenspinnen Weibchen sind, die kleinen Männchen. Und dass wir sehr, sehr froh sein können, in unserem Zelt auf dem Dach zu schlafen.

Den Nachmittag verbringen wir damit, ziellos – auch mal schön – in Swakopmund herumzulaufen.



Leider ließ es sich in der Planung nicht vermeiden, dass heute Sonntag ist, und so haben die verschiedenen Kuriositätengeschäfte größtenteils geschlossen. Ich hätte gerne mal so einen verrückten Safarikleidungsladen besucht. Aber wir finden ein offenes Café, die Muschel, und fühlen uns kurzzeitig wie auf einem Städtetrip in Europa.





Und manchmal dann irgendwie auch gerade nicht:



Erstaunlich wie erholsam wir das auf einmal finden, das hätten wir nicht erwartet. Aus Spaß bestellt Lukas das „Black Forest Ham Sandwich“. Ich könne mir weit importierten Räucherlachs. Ich hätte nicht gedacht, dass wir den kurzen Aufenthalt im deutsch geprägten Swakopmund so sehr schätzen würden, aber es ist wie eine kleine Ruhepause nach den ersten turbulenten aber auch tollen Tagen, bevor man dann auch geistig so richtig ins Afrika-Abenteuer startet.

In der angeschlossenen Buchhandlung besorgen wir uns noch ein Tierbestimmungsbuch. Nachdem wir auf der Südafrika-Reise nur mit den illustrierten Karten-Heften der Nationalparks unterwegs waren, haben wir uns dieses Mal schon in Deutschland den Stuart’s Field Guide to Mammals in Southern Africa gekauft. Aber schon die ersten paar Tage haben gezeigt, dass wir doch hier und da neben Säugetieren gerne den ein oder anderen Vogel, das ein oder andere Insekt – oder vielleicht, tatsächlich sogar, auch eine Spinne! – interessant finden, und gerne wüssten, womit wir es da zu tun haben. So kaufen wir also zu unserem in Deutschland erworbenen englischen Buch noch in Namibia ein deutsches Buch. Wie das halt so ist. Und sind hochgradig fasziniert davon, einfach hier, mitten in Afrika, in eine Buchhandlung zu laufen, und deutsch zu sprechen. Flora & Fauna im südlichen Afrika sagt uns zu und erweist sich auch im späteren Verlauf als gute Ergänzung zu dem deutlich ausführlicheren Säugetier-Buch. Es hat zwar nicht allzu viele Infos, aber für den Überblick und die Erstbestimmung reicht es. Nur die Pflanzen zu identifizieren, das klappt mit dem Buch irgendwie nicht so gut, Bäume verwirren mich. Aber über Bäume werden wir im Laufe der Reise auch noch genug lernen … ;)

Den frühen Abend verbringen wir dann noch mit einem Bier, einem Buch und den ersten Postkarten im Garten des Hostels. Für abends haben wir dann eine Reservierung im Jetty 1905 – dachten wir zumindest. Als wir da aufschlagen, kann man uns allerdings nicht im System finden. Dahinter steht offenbar menschliches Versagen. Durch mich nämlich. Ich habe die Reservierung anscheinend nicht vollständig abgeschlossen. Upps. Ist aber auch ein komplizierter Prozess… ähem. :blush:

Aber die Leute im Restaurant sind nett und schauen nochmal – und können uns dann doch noch einen Zweiertisch klarmachen. So sitzen wir zwar nicht direkt am Fenster, aber mittig im vorderen Bereich, sodass wir auch noch ein bisschen was vom Sonnenuntergang mitkriegen. Am Ende haben wir dann vor lauter Quatschen irgendwie auch nicht so richtig drauf geachtet. Naja, außer, dass ich das obligatorische Foto hier gemacht habe:



Nach einem kleinen Portwein-Malheur (wir bestellen Portwein und Tonic, meinen das zum Kombinieren als Aperitif, bekommen aber winzige Gläser mit Portwein und eben Tonic, woraufhin wir alles am Tisch selbst mit separaten Eiswürfeln zusammenmanschen und eine leicht verwirrte aber amüsierte Kellnerin zurücklassen) geht dann aber alles gut. Wir haben sehr leckere, ungewohnt gegarte, Austern – die im Ofen gebackenen mit Knoblauch kann ich sehr empfehlen.



Dann Thunfischsteak und Seezunge, einen netten südafrikanischen Wein und ein Nachtisch-Trio. Ein schönes Essen für ungefähr 60 Euro zusammen. Und was für ein Kontrast zu den letzten Tagen! Auch das ist eine willkommene Abwechslung zur Steinzeit-Diät, auf die wir uns jetzt aber auch schon wieder sehr freuen, denn es warten noch einige Kilo bestes Fleisch im Kühlschrank.

Zufrieden wanken wir zurück ins Hostel und genießen dann noch das letzte WLAN für sehr, sehr lange Zeit, bevor wir wieder in unsere einsamen, getrennten, aber sehr bequemen Betten zurücksinken.

Utensil des Tages: Der Serienbildmodus der Kamera – den ich für Tierfotos heute für mich entdeckt habe.
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Tag 6 – Unter Strom

Montag – und heute dürfen wir endlich mal ausschlafen. Nicht allzu lange, aber immerhin bis um acht. Denn heute haben wir nur eine sehr kurze Fahrstrecke bis zur Spitzkoppe vor uns. Wichtig ist: Duschen. Denn an der Spitzkoppe können wir nur an der Rezeption duschen. Wobei das ehrlicherweise auch weniger umständlich ist, als es auf den ersten Blick für uns klang. Aber hinterher ist man eben schlauer.

Duschen ist heute allerdings eher eine spannende Sache.

Lukas ist zuerst im Bad, und ruft mich irgendwann rüber. „Voll verrückt, der Wasserhahn steht irgendwie unter Strom.“ – „Ich merk nichts.“ – „Was?“ Vielleicht weil ich Socken anhabe, vielleicht, weil meine Hände trocken sind, erst nach dem fünften Versuch merke ich, was er meint: Es kribbelt ganz leicht, wenn man den Wasserhahn vom Waschbecken anfasst. Ja, aber was solls. Wir sind in Afrika. Wir sind im Urlaub. So weit, so in Ordnung. Ich schlurfe also wieder zurück und lasse Lukas erstmal duschen.

Und dann bin ich dran. Beim Zähneputzen merke ich schon, dass das mit dem Kribbeln irgendwie immer stärker wird. Wasserhahn zu – autsch! Auf einmal kriege ich einen Schlag. Naja. Bin ja fertig mit Zähneputzen. Dann gehe ich duschen. Wasser an, nass werden, kein Problem, alles super. Dann: Wasser aus – brrrzzzzz. Huch, schon wieder ein Schlag als ich den Duschhahn der Badewanne zugemacht habe. Offenbar steht hier nicht nur das Waschbecken, sondern alle Armaturen leicht unter Strom. Noch ein Test – brrrzzzz. Okay, schon wieder. Und jetzt? Naja, das fließende Wasser eben gerade habe ich ja auch überlebt. Geht ja nicht anders! Im Nachhinein eigentlich ziemlich dumm. In dem Moment denke ich aber nur: Ich muss halt zu Ende duschen, alles andere wäre unpraktisch. Den Hahn fasse ich jetzt nur noch mithilfe des Duschvorhangs an.

Dann steige ich aus, lege meine Sachen ab. Und – schreie sehr laut.

Was ich angefasst habe, weiß ich nicht. Ich kann mich beim besten Willen nicht dran erinnern. Vielleicht habe ich auch nur etwas irgendwo hingelegt. Keine Erinnerung. Ich weiß nur, dass ich so einen starken Schlag bekommen habe, dass mein Finger weh tut, ja mein ganzer Arm weh tut – und ich relativ laut aufgeschrien hab. Ich bin etwas geschockt. Wohl im wahrsten Sinne.

Geschockt ist offenbar auch Lukas, der vor der Tür meinen Namen ruft. Gut auch, dass ich abschließen musste, nicht auszudenken, wenn ich jetzt ohnmächtig auf dem Boden läge ... Um rauszukommen, muss ich jetzt auch noch den Schlüssel umdrehen und die Türklinke aus Metall anfassen. Ein sehr spannender Moment. Aber die steht zum Glück nicht unter Strom.

Und da war es dann, das erste Erlebnis, bei dem etwas wirklich hätte schiefgehen können. Aber statt archaischer Elefanten-Attacke oder brutalem Raubüberfall sind es die Zeichen der Modernität, mitten im bürgerlichen Swakopmund, die mir gefährlich wurden. So wie die Liebe, die angeblich immer dann kommt, wenn man sie nicht erwartet, scheint es auch mit der Gefahr zu sein. Mein Arm tut weh und ich bin durcheinander. Ich muss mich erstmal fünf Minuten hinlegen.

Aber mir ist natürlich nicht wirklich viel passiert außer dem – naja – Schock… und ich erhole mich relativ schnell wieder von der „elektrischen Dusche“. Als wir dem Mitarbeiter im Hostel erzählen, dass das ganze Bad unter Strom steht, weicht ihm gefühlt gleich jede Farbe aus dem Gesicht. Offenbar war ein Klempner da, der irgendwas reparieren sollte – dabei ist doch vielleicht was schiefgegangen. Vorwürfe machen wir zwar niemandem, kann ja mal passieren, aber wir sind trotzdem froh, dass wir abreisen. Noch einmal wäre ich nicht in diese Duschwanne gestiegen. Wenig später taucht dann auch tatsächlich ein Handwerker auf. Man kümmert sich also. Aber mein Arm tut doch noch ein paar Stunden leicht weh.

Nach dem Frühstück haben wir noch ein paar Dinge zu erledigen – einkaufen, was wir in Windhoek vergessen oder seitdem schon wieder aufgebraucht haben. Leider entscheiden wir uns für Choppies, was offenbar eher ein billiger Supermarkt zu sein scheint. Das Angebot begeistert uns weniger. Aber wir finden das nötigste, und nebenan in der Drogerie den Rest. Was wir kläglich vermisst haben in den letzten Tagen: Handcreme. Die Haut trocknet bei dieser Hitze und Trockenheit einfach wahnsinnig schnell aus. Und kühle Getränke – die Trinkpäckchen, die es bei der Tour gestern gab, waren so erfrischend, dass wir sie in unser Standardrepertoire aufnehmen. Zu Hause trinken wir gar nicht viel Saft, aber hier – ist es ein Segen.

Dann Tanken, und das erste Mal seit Windhoek wieder auf Asphaltstraßen. Ich bin froh, dass ich vorerst nicht fahre, denn die Asphaltstraßen wirken ungewohnt schmal – da merkt man erst einmal, mit was für einem Schiff man unterwegs ist – und bis zur Mine gibt es wahnsinnig viele und breite LKW. Ich übernehme dann, als wir wieder auf Schotter kommen. Die Straße fährt sich total gut und heute macht es mir richtig Spaß. Ich merke auch, wie viel angenehmer es ist, wenn das Ziel nicht so weit entfernt liegt. Was wir vorher vermutet hatten – dass es erst ab Swakopmund richtig entspannt wird – bestätigt sich. Wir fühlen uns angekommen und wohl.
Irgendwann wird die Spitzkoppe immer größer. Das perfekte Foto, das man so oft sieht, gelingt uns leider nicht, da es wohl zu heiß ist, um von so weit weg zu fotografieren.



Am Schluss geht es noch ein Stückchen durch’s Dorf, auf der Zufahrtsstraße stehen zum ersten Mal links und rechts Frauen und Kinder an Ständen mit selbstgebasteltem Zeug aus bemaltem Blech. Dass hier Kinder verkaufen, finden wir nicht gut und halten erstmal nicht an.

An der Rezeption....



... gibt es diverse Hinweise auf giftige Pflanzen, die man keinesfalls anfassen soll, für mich stellt sich sofort ein „yeah, Abenteuer“-Gefühl ein.



Und dann fahren wir ins Gelände. Den Stellplatz darf man sich hier nach wie vor aussuchen. Wow, was für eine Landschaft. Wir machen erstmal eine Tour ans Westende, hier sollen ja die tollen Sonnenuntergangsplätze liegen. Einiges ist aber schon belegt. Mir gefällt ein Platz unterwegs, eng zwischen riesigen Felskkugeln. Aber zu nah am Weg. Also wieder zurück. Das Rumgekurve ist schon ein bisschen nervig. Man hat so eine merkwürdige Angst, etwas zu verpassen, wie am Sushi-Laufband. Obwohl man hier doch vollkommene Entspannung sucht.

„Hier waren wir noch nicht, oder?“

Und biegen ab, in Richtung des Little Bushman Paradise. Und dann sehen wir ein Schild mit der Nummer… was war es gleich? 10, 11 oder irgendetwas in der Art. Diese Campsite sieht gut aus. Blick auf die Spitzkoppe, Pontokberge im Rücken, die Straße weit weg, die Nachbarn noch weiter, und mit einem privaten Aussichts-Felsen.





Das ist er, der Sehnsuchtsort. Die ultimativ beste Campsite der Welt. Als ich auf den Felsen klettere und mich über den unerwarteten Grip des Steins freue, als ich runterblicke auf unser Auto, passiert emotional etwas ziemlich Großes in mir, eine Freude, die zu weit ist für mich selbst, die mich erfüllt und mich einhüllt und mich in Ehrfurcht vor der Natur fast in Stücke springen lässt. Ich denke an Kants Konzept von Erhabenheit.



Ich denke aber auch, dass mir verdammt heiß ist.

Da ich mir vorgenommen habe, die Möglichkeiten unseres vollausgestatteten Safarimobils besser zu nutzen, brate ich erstmal ein Spiegelei. Das sich eigentlich schon fast von selbst brät. Dabei wird mir dann auch noch heißer. Und ich bin froh, dass es hier keinen Strom gibt. Absolut keinen, nirgendwo. Das ist doch viel sicherer. Wer braucht schon Zivilisation.

Nach dem Mittagssnack und der Inspektion des „long drop“ Plumpsklos (echt in Ordnung, man sollte nur wenn man nachts mit Stirnlampe hingeht vermeiden, reinzuleuchten…) und noch einmal den Wagen inspizieren, was wir alle vier Tage machen sollen, unternehmen wir die geführte Tour zu den Felsmalereien. Inzwischen auf eigene Faust nicht mehr machbar, es stört uns aber auch überhaupt nicht, wenn ein paar nette Leute aus der Gegend ihr Brot mit den Touren verdienen können. Wir holen unseren Guide an der Rezeption mit unserem eigenen Auto ab, er ist super freundlich, dirigiert, wo wir hinfahren sollen. Ein anderes Paar folgt uns in ihrem Wagen.

Zum Bushman Paradise müssen wir recht steil den Berg hoch klettern, zum Glück keine klippenartigen Abgründe, die ich ja immer nicht so mag, und so gefällt mir auch dieses Mikro-Abenteuer im großen Abenteuer sehr gut. Und der Fels hat erstaunlich viel Grip. Es sind ja oft diese kleinen Dinge, die einen begeistern. Grip zum Beispiel. Oben angekommen sehe ich, glaube ich, meine allerersten Felsmalereien und bin tatsächlich emotional berührt.



(Okay, das ist ein Bild von später, aber diese Malereien sind auch verdammt schwer zu fotografieren)

Es ist auch die Magie dieses Ortes, hier oben, mitten auf dem Felsen, eine Höhlenüberhang, eine Art Garten, es ist einfach schön, man weiß schon, warum es "Paradies" heißt.



Als wir dann in die Weite der Landschaft blicken, ist es wieder da, dieses Gefühl von Erhabenheit. Aber auch das Gefühl von König der Löwen. Ich möchte gerne einen kleinen Simba mit Saft aus einem Flaschenkürbis beträufeln und hochhalten, damit alle Tiere ihn sehen können…



Ich denke an meine Schwester, mit der ich das Hörspiel damals rauf und runter gehört habe und damals, mit sechs oder sieben Jahren, niemals auch ansatzweise daran geglaubt habe, selbst mal nach Afrika zu kommen. Irgendwas muss doch dran sein, dass die Wiege der Menschheit hier irgendwo liegt, jedes Mal wenn ich in auf diesem Kontinent in der Wildnis bin, habe ich das Gefühl, bei meinen eigenen Wurzeln angekommen zu sein. Ist es verrückt? Ich schätze schon. Dass Lukas ähnliche ursprüngliche Selbsterkenntnisgefühl hat, lässt sich allerdings nicht erkennen, und ich reiße mich los aus meinen mystisch-kitschigen Gedanken.

Danach besuchen wir dann noch das Little Bushman Paradise, die Höhle mit der Schlange und bekommen einige der Pflanzen erklärt, die wir am besten gar nicht anfassen sollen, weil sie gefühlt alle tödlich giftig sind.



Ach und es gibt natürlich auch Leoparden hier, wie man unschwer erkennen kann. Aber ja klar, die kommen natürlich nicht zur Campsite. Das gehört in die Kategorie „Infos, die mich nicht beunruhigen, die ich aber lieber nicht meinen Eltern erzähle“.



Insgesamt eine schöne Tour, die ich empfehlen kann, wenn man das erste Mal dort ist.

Zum Sonnenuntergang klettern wir dann auf unseren ganz privaten Aussichtsfelsen. Der Sonnenuntergang selbst ist verdeckt hinter der großen Spitzkoppe, aber wunderschön. Allein die Landschaft, die ganze Stimmung, dieses absolute Gefühl von Wildnis und Einsamkeit, die Dunkelheit, alles ist irgendwie bezaubernd. Ich bin an diesem Ort so entspannt und ausbalanciert wie selten irgendwo.







Den Abend verbringen wir mit dem, atmosphärisch sehr gut passenden, Feuer, Fleisch, das wir zum Glück nicht selbst jagen mussten. Und Sternegucken auf unserem Autodach. In Swakopmund haben wir noch eine günstige Decke im Billigladen gekauft, nachdem uns wieder eingefallen ist, dass bei unserem Auto (anders als bei vielen anderen) das Zelt auf der Fahrerkabine, nicht auf dem Aufbau angebracht ist – und wir den Aufbau als private Aussichtsplattform nutzen können. Irgendwann wird es allerdings verdammt kalt, sodass wir, eingepackt in Fleecejacke und Schal, dicht ans Feuer rücken müssen, um es noch eine Weile auszuhalten. Als wir dann kurz vorm Erfrieren sind wechseln wir, etwas wehmütig aber zufrieden, ins Zelt. Das wird die einzige Nacht, in der ich eine lange Hose und mein Schlaf-Fleece brauche.
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