THEMA: 1996 (35 Tage Namibia, Chobe, Vicfalls)
21 Aug 2013 17:59 #301253
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Freitag, 28. 6. 1996

Wo gibt es für uns einen Ort mit genügend Platz und Freiraum, mit leicht zugänglichem Wasseranschluß und ausreichend freien Mülltonnen, von der Fingerklippe möglichst schnell erreichbar, relativ preisgünstig, aber trotzdem mit hohem Unterhaltungswert? Natürlich, ein Camp in der Etosha - Pfanne! Also, nichts wie hin. In Outjo besorgen wir die erforderlichen Zutaten für ein nach unseren Vorstellungen zünftiges Braai, denn wir wollen ein letztes Mal grillen. Und in Halali erhalten wir glücklicherweise auch noch ein geräumiges Zimmer. Ein Bungalow wie bei unserem ersten Besuch ist leider nicht mehr frei, denn es sind jede Menge Südafrikaner, die jetzt Schulferien haben, unterwegs.









Heute Nachmittag starten wir unsere Säuberungs-, Umpack-, Entstaubungs-, Putz- und Entrümpelungsaktion. Ich schleppe sämtliche Koffer, Taschen, Beutel und Kartons in das Zimmer. R. trennt Schmutzwäsche von ungebrauchten Kleidungsstücken, verstaut empfindliche Souvenirs weich und sicher, wäscht verstaubtes Geschirr und Bestecke ab, sortiert Lebensmittel aus, die wir nicht mehr benötigen, und packt, soweit schon möglich, für die Rückreise. Dabei wird uns so richtig bewußt, wieviel unnötigen Krimskrams wir mitgeschleppt haben, wieviele ungetragene Jeans, Hemden, Blusen und sonstige Wäschestücke fein säuberlich zusammengelegt, wieviele Bücher ungelesen, wieviele Gesellschaftsspiele ungespielt in den Koffern geblieben sind. Na, ja, die Jungens und Mädchen brauchen ab und an auch einmal Luftveränderung... Derweil kümmere ich mich um das Fahrzeug. Bewaffnet mit Besen, Handfeger und Schaufel nehme ich erst einmal eine Grobreinigung vor. Binnen Sekunden bin ich in eine dichte Staubwolke eingehüllt, die sich nur ganz langsam verzieht. Schaufelweise entferne ich Sand, Staub, Papierfetzen, vorsorglich zum Unterlegen bei einem eventuell erforderlichen nochmaligen Reifenwechsel mitgenommene Steine von der Ladefläche und aus dem Fahrgastraum, säubere Wasser- und Benzinkanister, sichte und ordne das Bordwerkzeug, leere Handschuh- und Ablagefach, putze Armaturenbrett und Fenster, placke mich ab und fluche dabei ob der ungewohnten, schmutzigen Arbeit wie ein Kesselflicker.

Zwischenzeitlich schaue ich immer wieder einmal bei R. vorbei, denn es interessiert mich brennend, wie sich ihr zweifellos überragendes Organisations- und Planungstalent in der Praxis bewährt. Sie bewältigt alles hervorragend, auch in angemessener Zeit, ist zu Recht stolz auf die vollbrachte Leistung. Interessiert höre ich mir an, welchen schmutzigen Socken sie in welche Tasche gepackt hat und warum in diese und nicht in eine andere, welches jeweilige System zur Anwendung gekommen ist und daß sie bald fertig sei. Dann „bittet“ sie mich, einen der Koffer zu schließen. Ich entspreche natürlich sofort ihrem „Wunsch“, klappe den Deckel zu, lasse die Schlösser einschnappen, schließe sie mit den dafür vorgesehenen Schlüsseln und sichere den Koffer zusätzlich mit einem straff anzuziehenden Riemen. Da wirft sich R. plötzlich platschend auf den Boden, eine große Entfernung hat sie dabei ja nicht zu überwinden, und linst erst in das eine, dann in das andere Kofferschlüsselloch. Verblüfft beobachte ich sie dabei. Versucht sie zu ergründen, ob die nicht getragenen Hemden noch glatt, die Slips noch ordentlich zusammengelegt sind, ob im Koffer noch alles seine Richtigkeit hat? Nein, weit gefehlt! Sie bedeutet mir, daß der Schnapper (oder wie sich dieses Ding auch immer nennen mag) des linken Schlosses mindestens einen Millimeter mehr Spielraum hat als der auf der rechten Seite. Sie erklärt mir sehr, sehr ausführlich, was dadurch auf der Fahrt und dem Flug alles passieren kann. Natürlich weiß ich sofort, daß ich den Koffer wieder öffnen, neu packen und schließen muß, Widerrede ist da vollkommen zwecklos. Schließlich haben wir gemeinsam auch dieses ohne Zweifel schwierige Problem zur „beiderseitigen“ Zufriedenheit gelöst und ich kann mich sehr viel wichtigeren Dingen widmen, wie beispielsweise Bier für den heutigen Abend besorgen...

Zu unserer großen Überraschung bezieht etwas später ein junges Paar, das wir schon in Sesfontein getroffen haben, das Zimmer neben uns. Auch sie haben ihre geplante Route erheblich abgeändert und sind richtig happy, für die heutige Nacht das letzte Zimmer in Halali ergattert zu haben. Ansonsten campen sie, aber die letzten Nächte müssen wohl empfindlich kalt gewesen sein. Wir beschließen, gemeinsam zu grillen.



Das Gemüse in dem Braai - Topf ist bereits gar und duftet verlockend. Wir sitzen um einen Tisch nahe bei dem gemauerten Grill und warten darauf, daß die Steaks serviert werden können. Um auf dem Tisch Platz zu schaffen, deponiere ich den Braai - Topf erst einmal darunter. Keine gute Idee, wie sich sehr bald herausstellt, denn kurz darauf tritt ein großes, schwergewichtiges, trampeliges Schussel dagegen. Alles nicht so schlimm, kann ja mal passieren, es ist schließlich nur ganz wenig Flüssigkeit ausgelaufen, der blöde Topf steht auch unglücklicherweise genau im Schlagschatten des Tisches, ist zudem noch schwarz wie die uns umgebende Nacht und folglich im funzligen Licht der Taschenlampe kaum auszumachen. Aber daß derselbe hektische, überhebliche Klugscheißer, der sich so gern über andere Leute und speziell über seine liebe, kleine R. lustig macht, ohne erheblich angesoffen zu sein kaum fünf Minuten später mit seinen unegalen Füßen noch einmal dagegegenlatscht und dabei mindestens die Hälfte des Topfinhalts verschüttet, spottet jeder Beschreibung. Ich könnte mich vor Wut sonstwohin beißen, daß ausgerechnet mir das unterlaufen muß. Es kommt erschwerend dazu, daß R. heute das Gemüse geputzt hat... Das noch vorhandene Grünzeug wird gerecht geteilt, es sieht, in Anlehnung an Loriot, sehr schön übersichtlich aus auf den Tellern, aber die Fleischportionen sind mehr als ausreichend.

Heute wird es sehr spät, drei ausgesprochene Quatschtüten haben sich gesucht und gefunden. Nachdem die Reiseerfahrungen aus Namibia ausgetauscht sind, helfen ausschweifende Erzählungen von vorangegangenen anderen Urlauben weiter, gefolgt von detaillierten Situationsberichten aus dem jeweiligen persönlichen Umfeld in Deutschland. Nach etwa vier Stunden komme ich kaum noch zu Wort, eine Stunde später beginne ich mit Aufräumarbeiten, in der Hoffnung, ein mehr oder weniger deutliches Zeichen zum baldigen Aufbruch zu setzen. Man nimmt mein Bemühen zwar höflich und dankbar, indem man mir schmutzige Teller, Gläser und Bestecke anreicht, aber sonst ohne erkennbares Verstehen zur Kenntnis, denn zwischenzeitlich ist man, wenn ich die für mich verständlichen Gesprächsfetzen richtig deute, bei derartig hochinteressanten, ja sogar brisanten Themen wie richtiger Bodenpflege des gefliesten Waschraums bei gleichzeitiger Beaufsichtigung eigener oder fremder Kinder bzw. der spirituellen Deutung umfallender Leitern in Nordkorea angelangt. Vielleicht waren es auch andere Themen, aber man wird ja wohl ein wenig übertreiben dürfen, und für mich hat es sich zumindest so ähnlich angehört... Aber auch der längste Abend geht einmal zu Ende, als ich von einem ausgiebigen nächtlichen Spaziergang zurückkehre, sprechen alle Anzeichen dafür, daß entweder Müdigkeit, Erschöpfung oder Muskelkater der Stimmbänder (wenn das überhaupt möglich ist) ihren Tribut einfordern, die zwei Quatschtanten und der Quatschonkel beschließen, schlafen zu gehen. Dankbar, äußerst dankbar, schließe ich mich an.

Samstag, 29. 6. 1996

Der Tag beginnt für mich mit einem inneren Vorbeimarsch: R., ausgerechnet diese kleine Erbsenzählerin, hat das Permit für den Park verbaselt, und ohne dieses niedliche, kleine Papierchen mit vielen bunten Stempelchen läßt man uns nicht wieder aus dem Park heraus... Sämtliche auch nur entfernt dafür in Frage kommenden Taschen und Täschchen werden gefilzt und gewendet, andere, noch vorhandene Dokumente daraufhin überprüft, ob sich das Mistding dahinter verkrümelt hat, Mülltonnen umgestülpt und mit spitzen Fingern durchgesehen, Koffer und Reisetaschen geöffnet, durchsucht und wieder geschlossen, das aussortierte Altpapier wird noch einmal genauestens gesichtet, es hilft alles nichts, das Permit bleibt verschwunden. Als einzige Möglichkeit bleibt, daß die Putzhilfe, der wir unsere restlichen Lebensmittel geschenkt haben, das Ding versehentlich mitgenommen hat. Ich gehe also ins Office und schildere dem Parkranger das Malheur. Auf die Frage nach dem Namen muß ich passen, und wie sie ausgesehen hat, weiß ich auch nur noch sehr unvollständig: schwarz eben, vielleicht zwischen dreißig und fünfzig, relativ schlank, mittelgroß, grüner Kittel. Der Ranger und ich begeben uns auf dem ausgedehnten Campgelände auf die Suche, wobei ich die weiblichen und schwarzen Angestellten sehr genau mustere. Es ist aber nicht übermäßig ergiebig, sie sind nicht besonders hübsch, und die Gesuchte ist auch nicht dabei. Nach geraumer Zeit bemerken wir jedoch in einiger Entfernung eine kleine Gestalt, die mit wilden Arm- und Beinbewegungen einen Hampelmann imitiert. Als wir etwas näher kommen, erkenne ich R. Sie wedelt fröhlich mit dem vermißten Papierstück und erklärt uns freudestrahlend, daß sie den Ausreißer gerade eben in der Tasche mit der imaginären Nummer siebenundvierzig entdeckt hat. Diese Tasche sei von ihr noch nie benutzt worden, sie könne sich auch nicht erinnern, das Permit da hinein gesteckt zu haben, und ob ich das nicht gewesen wäre... Der Ranger steht grinsend daneben. Ich weiß nicht, ob er genügend Deutsch versteht, aber helfen kann ich ihm im Augenblick auch nicht, denn mir fällt doch partout der englische Ausdruck für „blöde Tussi“ nicht ein!



Auf der Rückfahrt zum Parkausgang besuchen wir noch einmal sämtliche Wasserlöcher, an denen wir besonders viele Tiere gesehen und so viele interessante Beobachtungen gemacht haben. Schon etwas wehmütig nehmen wir Abschied von Etosha.





Wir übernachten cirka dreißig Kilometer außerhalb des Parks in der Toshari - Inn. Das Essen ist mies, Bier schmeckt auch nicht richtig, wahrscheinlich sind wir nach der vorhergehenden Nacht total übermüdet. Und dagegen tun wir schon am frühen Abend etwas.
Letzte Änderung: 21 Aug 2013 18:04 von afra.
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23 Aug 2013 16:51 #301526
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Sonntag, 30. 6. 1996

Diesen letzten Fahrtag müssen wir unbedingt noch sinnvoll gestalten. Nach Windhoek sind es ja nur noch schlappe vierhundert Kilometer, also lohnt sich ein „kleiner“ Umweg zum Waterberg. Das sind für Hin- und Rückfahrt nur einhundertzwanzig Kilometer mehr. Das Waterberg - Plateau wird als Wanderparadies ausgelobt, und wir lassen es uns nicht nehmen, trotz stechender Sonne und größter Mittagshitze einen Aussichtsweg in Angriff zu nehmen. Aber die Greifvögel, die angeblich in Massen die steten Aufwinde nutzen, um kreisend Höhe zu gewinnen, halten wohl vernünftigerweise gerade Siesta, und nur impertinente, lästige Fliegen begleiten uns auf unserem beschwerlichen Weg. Nach einer Stunde haben wir die „Faxen dicke“ und steigen wieder in unser Auto. Man gut, denn irgendwie haben wir uns mit der Zeit wieder vertan. Die restliche Strecke nach Windhoek ziiieht sich...

Gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang sind wir in der Sundown - Lodge. Wir haben hier ausnahmsweise eine Zimmerreservierung, weil dieses Hotel mit einem Fernseher ausgestattet ist. Darauf haben „wir“ Wert gelegt, denn heute abend wird das Endspiel der Fußballeuropameisterschaft übertragen. Als ich an der Reception beim Einchecken darauf hinweise, daß wir reserviert haben, bricht bei den Betreibern der Lodge das reinste Chaos aus, sie finden die Reservierung nicht. Drei Mann wühlen erst nacheinander, dann gleichzeitig, sich dabei fast die Blätter aus den Händen reißend, Papierstapel durch, finden natürlich nichts, schreien nach der Frau des Hauses, die an dieser Aktion noch nicht beteiligt ist. Doch die läßt sich (aus gutem Grund?) vorerst nicht sehen. Meine Frage, ob denn überhaupt noch ein Zimmer frei sei, überrascht sie sichtlich. Sie sind nicht ausgebucht. Schließlich erreiche ich, daß wir erst unser Zimmer beziehen können und sie ihre Suchaktion ohne mich fortsetzen. Hektiker, aber liebenswerte Menschen, wie wir im Verlauf des Abends feststellen.

An der Sundowner - Bar finden sich vor dem Abendessen gleichgesinnte Seelen ein: außer uns alles Sportfischer. Stolz werden Bilder präsentiert, auf denen ausgewachsene Männer kleine, tote Fische am Kiemen oder am Schwanz halten, die besten, bisher absolut geheimgehaltenen Angelgründe diskutiert und die unwahrscheinlichsten Abenteuer geschildert, die natürlich alle irgenwie mit diesen glitschigen, glatten, kalten Wesen zusammenhängen, die ihr stummes Leben im Wasser verbringen. Das Fußballspiel betrachten wir in großer Runde, alle Gäste des Hotels haben sich im Fernsehzimmer eingefunden. Das Ergebnis löst aber keinen lauten Jubel aus, dazu war die Qualität des Spiels denn doch zu schlecht. Sind eben richtige Masselmolche, Berties Buben.

Montag, 1. 7. 1996

Gemütlich gondeln wir die letzten zwanzig Kilometer unserer Reise nach Windhoek. Bevor wir den Wagen bei unserem Vermieter A. wieder abgeben, unternehmen wir eine kurze Stippvisite durch ein ehemaliges Township, das auch jetzt noch ausschließlich von Schwarzen bewohnt wird.



Die Wagenübergabe ist kurz und schmerzlos, aber wir haben den Kameraden, der uns treu und redlich fast genau achttausend Kilometer durch Namibia, Botswana und Zimbabwe getragen hat, ja auch immer pfleglich behandelt. Zum Abschied tätschele ich dem Toyota liebevoll den linken Kotflügel. Wir besprechen mit Tina, wie der Transfer zum Flughafen für den morgigen Rückflug geregelt ist, und bummeln anschließend durch Windhoek. R. schenkt mir als Dank für meine Dienste als Fahrer durch das südliche Afrika einen wunderschönen Geldbeutel aus Straußenleder. Vorher klappern wir jedoch sämtliche Ledergeschäfte in der City ab, denn der Preis aus dem ersten Geschäft erschien mir denn doch zu hoch. Und tatsächlich sparen wir schließlich über einhundert Namibiadollar. Ich finde nach längerem Suchen auch noch eine neue Pfeifentasche, Sonderangebot, dreißig Prozent reduziert. Stört mich aber nicht, ganz im Gegenteil. Viel Zeit nehmen wir uns für das Studium der Speisekarten, denn das Restaurant des Hotels Steiner wird renoviert. Wir müssen also „außerhalb“ essen. Zum Schluß kennen wir jede einzelne Karte auswendig, wissen aber immer noch nicht, auf was wir eigentlich Appetit haben.



Um die Zeit zu überbrücken, begeben wir uns erst einmal auf die Suche nach Hererofrauen mit ihren bunten Trachten. R. hat mir immer noch nicht verziehen, daß ich in Opuwo, wo ich die Himbamaiden aufs Bild gebannt habe, die Hererofrau, die an deren Seite kauerte, unberücksichtigt ließ. Hätte mir aber die ganze Aufnahme versaut, eine vermummte Alte und drei junge, grazile, fast nackte Schönheiten... ;) Heute morgen haben sich noch ganze Scharen von Hererofrauen aller Altersschichten in der Innenstadt herumgetrieben, aber jetzt am späten Nachmittag ist keine mehr aufzutreiben. Offensichtlich hat die Kommunikation zwischen ihnen hervorragend funktioniert, alle scheinen zu wissen, daß R. unbedingt noch eine Aufnahme von ihnen machen wil, und sie haben beschlossen, ihr aus unerreichbarer Ferne etwas zu flöten... Zum Trost lasse ich ihr zum Abendessen zwei Portionen Langostinos servieren (mir natürlich auch), wir trinken zum Abschied eine Flasche Wein und begeben uns alsbald zur Ruhe, denn morgen heißt es ganz, ganz früh aufstehen.

Dienstag, 2. 7. 1996

Wir schlafen sehr unruhig, obwohl wir den Wecker gestellt haben, befürchten wir, den Flieger zurück nach Deutschland zu verpassen. Schon um vier Uhr früh kriechen wir aus den Federn und checken noch einmal alles gewissenhaft durch. Gegen sechs Uhr holt uns Tina ab und bringt uns zum Flughafen, sie übernimmt dort gleich wieder neue Gäste. Zum letzten Mal erleben wir am eigenen Leibe, wie saukalt es in Afrika sein kann, wenn die Sonne noch nicht richtig aufgegangen ist. Wir bibbern, versuchen, uns durch Bewegung ein wenig warm zu halten und verstecken die Hände tief in den Jackentaschen. Trotzdem hat R. blaue Lippen. Spontan fällt uns eine Aussage der Hoffmanns von der Sinclair - Farm ein: „Afrika ist ein kaltes Land mit heißer Sonne“. Das können wir nur bestätigen.



Kurz vor acht Uhr hebt das Flugzeug ab, verlassen wir Namibia. Unter uns zieht das öde Land in den uns so sattsam bekannten staubgrauen, braunen, gelben, rötlichen und weißen Farbschattierungen vorbei, nur sehr selten von grünen Farbtupfern und endlosen Straßenbändern unterbrochen. Das ändert sich grundlegend hinter der Etosha - Pfanne. Nach der Überquerung des Kavango fliegen wir südwestlich über hohes, grünes Bergland Richtung Atlantikküste. Leider liegt Zentralafrika und somit der Äquator unter einer dichten Wolkendecke, die erst wieder über den Trockensavannen Nordafrikas aufreißt. Wenn wir die Landschaft Namibias schon als öde empfunden haben, erscheint uns die Sahara von oben sogar als tot und leblos, aber trotzdem von erhabener Schönheit. Über mehrere Flugstunden hinweg entdecken wir keine Ansiedlung, kein Dorf, keine Stadt. Einige wenige Fahrspuren durchziehen die Einsamkeit. Die majestätische Ruhe, die die riesigen Dünen, die schroffen Felsen sowie die kies- und sandbedeckten Ebenen ausstrahlen, empfinden wir sogar hier in zehntausend Meter Höhe. Vor der Mittelmeerküste kommen Turbulenzen auf uns zu, wir werden ziemlich durchgeschüttelt. Der nächste freie Blick zur Erde ist uns erst wieder kurz vor der Landung in München möglich, das ganze Mittelmeer, Sardinien, Korsika, Oberitalien und die Alpen sind wolkenverhangen. Aber kräftiger Schiebewind verkürzt unsere Flugzeit um fast zwei Stunden, und dagegen haben wir nun wirklich nichts einzuwenden.

M., der uns abholt, hat im Laufe des Tages beim Flughafen angerufen und von unserer früheren Ankunftzeit erfahren, und steht freudestrahlend hinter der Sperre und begrüßt uns. Toll! Das Wetter ist es weniger, es gießt in Strömen. Alles kommt uns fremd vor: belaubte grüne Bäume, Menschenansammlungen, belebte Straßen, auf denen alle motorisierten Verkehrsteilnehmer die falsche Fahrbahnseite benutzen, und die für unsere sensibel gewordenen Ohren enorme Geräuschkulisse. Wir laden das Gepäck in unser Auto, bedanken uns bei M. und nehmen die letzte Etappe in Angriff. Ein herrliches Gefühl, fast wie ein Schweben, mit einhundertundsechzig „Sachen“ auf der Autobahn unterwegs zu sein, ohne ständig wie ein Luchs nach Schlaglöchern, Quer- und Längsrillen, Steinen, hohen Sandverwehungen und Wildtieren auf der Fahrbahn Ausschau halten zu müssen. Die Fahrt dauert nur noch wenig mehr als zwei Stunden, dann hat der Kreis sich geschlossen, sind erlebnisreiche, manchmal strapaziöse, jedoch fast immer harmonische fünf Abenteuerwochen mit begrenztem Risiko zu Ende.

Fazit nach 17 Jahren:

Nachdem der alte Bericht von uns „wiederentdeckt“ wurde, haben wir die Reise in Gedanken noch einmal gemacht und schnell festgestellt, dass heutzutage unter ganz anderen Voraussetzungen gereist wird.

Es gab damals nur eine begrenzte Auswahl von Reiseführern. Wir haben uns orientiert an „Namibia“ von M. Iwanowski (damals anscheinend der beste Kenner von Namibia) und dem „Routenplaner Namibia“ von C. Pehlmann (beschrieb alle gängigen Routen incl. Chobe und Vic Falls).

Die Anzahl der Übernachtungsmöglichkeiten war begrenzt. Bekannte und bewährte Ziele neben den staatlichen Camps in Sesriem und Etosha waren die Gästefarm Sinclair, Ameib, Palmwag, Sesfontein, die Sambesi-Lodge und die Chobe Safari Lodge. Ziemlich neu und modern waren die Vingerklip Lodge und die Nkwazi Lodge. Alle Unterkünfte waren ok, das Essen bestand in der Regel aus normaler (meist deutscher) Hausmannskost. Ich denke, 1996 war „man“ hinsichtlich Unterkunft und Verpflegung nicht so anspruchsvoll wie heute! Es zählten mehr Land und Leute und natürlich die Tiererlebnisse. Bitte nicht als Kritik auffassen - die Zeiten haben sich inzwischen für (fast) alle geändert!!!

Wir waren unterwegs ohne GPS, Internetanschluss und Handy. Die Farmen hatten teilweise nur Gemeinschafts-Telefonanschlüsse. Nach Deutschland telefoniert (selten) wurde aus der Telefonzelle bzw. dem Postoffice.

Kreditkarten wurden selten akzeptiert. Wir hatten DM-Reiseschecks dabei und tauschten zeitaufwendig bei den Banken bzw. in Botswana und Zimbabwe an der Hotelreception.

Die Strassen bestanden überwiegend aus guten gravel-roads (auch Sesriem bis Parkplatz Sossusvlei sowie im Caprivi bis zur Grenze Botswana). Die Strasse von der Grenze Botswana nach Kasane war schon geteert – wahrscheinlich mit Gelder der EU (EWG?). Es stand jedenfalls ein entsprechendes (grosses) Schild am Grenzübergang. Das Verkehrsaufkommen war sicher wesentlich geringer als heute. Frau Hoffmann von der Sinclair-Farm berichtete, dass sie immer ein Strickzeug dabei habe, wenn sie mit dem Auto allein unterwegs sei. Im Fall einer Panne könnte es schon sein, dass stundenlang niemand vorbeikomme und sie bis dahin geduldig warten müsse (Telefon s. oben)!!

Abschliessend ist zu sagen, dass wir in den Folgejahren noch 3 x in Namibia waren, uns auch für 4 Tage in den Moremi „gewagt“ haben und momentan mit ganz kleinem Risiko regelmässig Südafrika bereisen.
Letzte Änderung: 23 Aug 2013 16:53 von afra.
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