... ich rolle den etwas älteren Thread wieder nach vorne, da ich kürzlich aus Sierra Leone zurückgekommen bin. Ich war -wie meist- mit dem Fahrrad unterwegs und habe daher meist eine andere Sicht der Dinge im Vergleich zu anderen Touristen. In diesem Fall ist das aber nicht so wichtig, da es nicht so viele andere Touristen gibt, deren Sicht von meiner abweichen könnte.
Christian (travelNAMIBIA) hatte mir im Vorfeld schon Einiges geschrieben, aber einmal sehen ist besser als hundertmal hören.
Ich empfand das Land bzgl. der Sicherheit völlig unproblematisch. Nach dem Besuch eines "Kinos" zum Anschauen eines Champions-League-Spiels (Arsenal London - Bayern München - prima Stimmung übrigens) bin ich abends zwischen 22:30 und 23 Uhr im Dunkeln nach Hause gelaufen. Das hätte ich nicht in jeder afrikanischen Millionenstadt getan. Die Menschen sind zum größten Teil sehr freundlich, aber auf dem Land gibt es auch einige Leute, die in sehr aggressiver Form betteln. Fährt man mit dem Auto durch oder in Begleitung von Einheimischen, ist das sicherlich kein Problem. Als langsamer Radfahrer wurde ich einige Male richtig angeschrien, dass ich den Leuten Geld geben solle. Das war dann weniger schön.
Die Infrastruktur ist 11 Jahre nach dem Krieg immer noch viel maroder als ich dachte. Selbst in den Unterkünften gibt es in der Regel keine Moskitonetze (Strom und Wasser sowieso nicht). Der Supermarkt in unserem kleineren Nachbarort (2.500 Einwohner) ist 3-4 mal so groß wie der größte Supermarkt in Freetown. Die Straßen im Marktbezirk sind voller Menschen, die zu handeln versuchen. Es gibt kaum Arbeitsplätze und jeder muss sehen, wie er das Geld für den nächsten Tag verdient, um sich etwas zu essen kaufen zu können. Autos schieben sich hupend im Fußgängertempo durch die Straßen.
Man sieht viele Poliokranke, Einbeinige, die im Krieg auf eine Mine getreten sind, Blinde (Flussblindheit) und gelegentlich auch Leute, denen die RUF-Rebellen im Krieg die Hände abgehackt haben. Ich habe ein Fußballspiel der Amputierten gesehen und mit ehemaligen Kindersoldaten gesprochen. Das ist ziemlich bedrückend.
In der Touristenregion an den Stränden ist ebenfalls wenig los. Die Kosten für eine Übernachtung im Hotel betragen ab 90 US$ pro Nacht. Für die Einheimischen sind das oft 2-3 Monatsgehälter. Das passt nicht so recht zusammen.
Man kann eine Reise durch dieses Land absolut nicht mit einer Reise durch Namibia, Südafrika oder auch Malawi vergleichen. Obwohl Malawi ähnlich arm ist, bietet es doch eine deutlich bessere Infrastruktur.
Eine Reise mit dem Rad durch Sierra Leone offenbart viel Licht und Schatten. Die Menschen hier werden noch lange brauchen, bis dieses Land sich entwickelt. Und das, obwohl es reiche Bodenschätze gibt.
Soviel in aller Kürze ...
Gruß
Wolfgang