THEMA: Sambia + Malawi: nicht nur gesehen, sondern erlebt
27 Nov 2011 21:03 #214697
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Mittwoch, 12.10.2011

Wahrlich für mich eine Vollmondnacht wie schon lange nicht mehr……..aber natürlich altersgerecht und mit folgendem Ablauf: doppeltes Bierchen, torkelnder Aufstieg ins Dachzelt, Druck auf der Blase, Abstieg aus dem Dachzelt vor Mitternacht, Mitleid haben mit dem nächsten trocken stehenden Baum, …. und dann doch noch den langandauernden Höhepunkt: 1 ½ h stilles Sitzen unter dem hell leuchtenden Vollmond und freies Laufenlassen der Gedanken.
Am Morgen danach das Fazit meiner nächtlichen Eskapaden: grosse Lust auf Kaffee und begrenzter Tatendrang. In dieser Gemütslage fällt es mir leicht, Rosmarie das Szepter zu überlassen und ich fühle mich wohl (nur heute?) in der Rolle des Mitläufers. Somit ist der Tagesbefehl schnell und ohne zu Murren akzeptiert. Es soll eine Fusspirsch durch das Dorf Chembe und an den Strand sein.
So quasi zum Einlaufen erkundige ich noch die Anlagen des Chembe Eagle’s Nest.
Die Lage des ganzen Camps ist einzigartig am blitzsauber gehaltenen und geglätteten privaten Sandstrand, links angrenzend der öffentliche Strand und rechts abgeschlossen durch den Campingplatz und einen runden Felsen. Von hier ist die Sicht ungehindert frei auf den Malawisee und die vorgelagerte Insel.









Die insgesamt 11 Chalets machen einen sehr gepflegten Eindruck. Und auch für uns Camper sind blitzeblanke Toilettenräume vorhanden, verziert sogar mit echten Blumen. So macht duschen einfach noch mehr Spass. Wie lange wohl werden unter diesen Umständen meine hinteren Pfoten noch den charakteristisch schwarzen Rand beibehalten können?
Kaum sind wir ausserhalb der Umzäunung des Eagle’s Nest, will uns der erste Einheimische (wie lange hat er wohl schon auf uns gelauert?) eine Führung durch das Dorf und eine Bootsfahrt zur vorgelagerten Insel West Thumbi verkaufen. Kaum haben wir ihn mit guten und lieben Ausreden abgewimmelt, bietet sich der nächste Guide an. Das Dorf selbst macht einen biederen und von den Touristen unbeeinflussten Eindruck. Viele Häuser sind in schlechtem Zustand. Neues Gras für das Dach steht an mehreren Orten bereit. Autos gibt es hier keine, welche Staub aufwirbeln, so dass das Cassava-Mehl beim Trocknen auf dem Vorplatz leuchtend weiss bleibt.







Noch vor dem Ende des Dorfes ist das halbe Dutzend von Führern voll. Der letzte erklärt uns, er sei der beste Fischkoch des ganzen Dorfes. Er will uns unbedingt bei sich zu Hause einen grossen Fisch und Beilagen zubereiten. Zum Glück versteht er die folgende Diskussion in Schweizerdeutsch nicht, denn ich hätte eingewilligt und Rosmarie wollte dies auf keinen Fall tun. Also internes 1:1. Und wer entscheidet dann? Nicht der Dritte, sondern der eindeutige Tageschef. Alles kein Problem für mich, denn der Hunger ist vor der Mittagszeit noch gut beherrschbar.
Auf der Höhe der Fat Monkey Lodge gehen wir an den öffentlichen Strand. Da finden wir wahrscheinlich mehr als die Hälfte des malawischen Alltagslebens: da wird gefischt, geflickt, gewaschen und getrocknet (von Cassava über Fische bis zu Kleider) und natürlich auch geplaudert, gespielt, gesessen und geschlafen. Alles höchst fotogen. Wenn ich doch nur ein wenig versessener aufs Fotografieren wäre und weniger Hemmungen hätte! Aber letztlich fühlen wir uns beim direkten Erleben und Sehen deutlich wohler als beim Fotografieren. Aber an den fotosüchtigen Kindern komme ich in Malawi nicht vorbei.







Müde zurück im Eagle’s Nest ergibt sich ein echt malawischer Nachmittag: plaudern – trinken – schattensitzen. Ja sogar zum Baden sind wir zu faul. Und bald einmal beginnt die Vorfreude auf das Fremdgehen (von der fast leeren Bordküche) in das Lodge Restaurant. Der Manager fragt uns bereits am Nachmittag, was es denn sein dürfe. In dieser Seeumgebung fast logisch und nach dem vormittäglichen Dorfkochmeisterangebot eigentlich klar: ein Malawisee-Fisch. Ob es wohl wieder ein fast fleischloser Open-Chambo sein wird? Doch vorher wollen wir noch den herrlichen Sonnenuntergang geniessen.



Chembe Eagle’s Nest
Tagesdistanz: Auto 0 km, Fuss 6 km
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28 Nov 2011 15:35 #214769
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Hallo Eulenmuckel

Wie du mir, so ich dir!
Jetzt wo ich vor lauter Tagesberichte schreiben, so langsam das Ende sehe, habe ich angefangen zu sehen, was sonst noch zu Sambia neu im Forum steht. Und da kommt man im Moment ganz einfach auch an eurem Beitrag nicht vorbei. Herzliche Gratulation zu eurer Ausführlichkeit und der gelungenen Begleitung mit guten Fotos!

Und speziell wegen eurem Hinweis, dass ihr vielleicht auch noch bis Malawi vorstossen werdet, habe ich in meinem letzten Beitrag mehr Info und Fotos der Unterkunft als normal angefügt. Chembe und das Eagle's Nest sind in vielen Belangen eine Klasse eindrücklicher als einige andere Orte am Malawisee (soweit ich dies beurteilen kann). Ihr werdet gleich noch mehr davon lesen.

Gruss von Girwal
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28 Nov 2011 21:00 #214812
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Donnerstag, 13.10.2011

Super gegessen (einen grossen, fleischreichen und fein gewürzten Malawisee-Fisch, ein herrliches Gegenstück zum Open-Chambo von Senga Bay), gut getrunken, schlecht geschlafen und wieder im Mondschein genachtwandelt. Sind dies erste Anzeichen des bekannten Ende-Ferien-Syndroms? Ist mir eigentlich am Morgen bereits egal! Beim Kaffee schlürfen schauen wir interessiert zu, wie der Katamaran geputzt und hergerichtet wird für die geplante Inselumrundung. Rosmarie mag kaum warten bis es los geht. Und kaum hat sie sich auf dem Katamaran eingerichtet, fühlt sie sich zwischen pudelwohl und hochglücklich.



Mangels weitere Gäste wird dieser Ausflug zum privaten Segel- und Motor-Törn. In einer Bucht bei der Insel gehen wir mitten in vielfarbigen Fischlein baden. Zu deren Beobachtung brauchen wir nicht einmal eine Schnorchelausrüstung. Und weit und breit sind keine anderen Touristen oder Touristenboote zu sehen. Die einzige Begegnung auf dem Wasser sind zwei Gruppen von Fischern in ihren Einbäumen.



Attraktion auf der hinteren Seite der Insel sind die dort wohnenden Schreiseeadler. Spektakulär ist dann die Anlockung dieses Vogels durch einen von unserem Skipper weit ins Wasser geworfenen Fisch. Dies geht nach dem Anflug des Schreiseeadlers so blitzartig, dass 9 von 10 Fotos gleich gar nichts Brauchbares ergeben (mindestens bei mir und meiner Kamera). Aber auch eine unscharfe Foto mag ja die direkte Erinnerung wieder abrufen.



Ein kurzer Gang aus dem Campground heraus bringt uns nach dem Katamaranausflug rasch wieder in den Alltag der Einheimischen zurück. Fischer flicken ihre auf dem freien Feld ausgebreiteten Netze und Kinder üben sich im Wasser holen.





Am Nachmittag geht dann unser eigener Verfaulungsprozess weiter. Vor lauter Nichtstun schlafen wir sogar kurz auf unseren Stühlen ein. Da hat scheinbar auch der Mittagskaffee nicht mehr geholfen. Was soll’s! Später gibt es dann aber doch zwei Wachhalter in Form von Stilstudien an Zwei- und Vierbeinern. Erste Szene: drei Zweibeiner säubern (seit dem Morgen) den Campground mit viel Diskussionen, noch grösseren Pausen und erstaunlich tiefer Effizienz so, dass bei Sonnenuntergang noch nicht alle zusammengewischten Laubhaufen (es waren sicher keine 10) weg geräumt sind. Vielleicht besorgt dies ja der Wind heute Nacht? Ganz anders die zweite Szene mit dem grossen Vierbeiner, ein Waran mit Gesamtlänge über 1.5 m): der rennt mehrere Male quer über unseren Standplatz und unter und über die Felsbrocken. Man beobachtet bei ihm eine völlig unmenschliche Wachsamkeit und Schnelligkeit. Und für uns halbverfaulte europäische Zweibeiner wird diese Naturbeobachtung sogar frei Lehnsessel im Schatten geliefert. That’s Malawi too!







Der nächste Eindruck ist dann aber zwischen schön-fröhlich und realistisch-bedrückend. Als uns der Einheimische Christian die gestern beauftragten vier Schlüsselanhänger an den Eingang des Camps bringt, sind gleich weitere sechs „Verkäufer“ (von Gemälden über Kanutrips bis Walkings) da. Christian bringt schöne in Tierform geschnitzte Anhänger mit und ist am Ende mit dem gemachten Geschäft zufrieden und fröhlich. Die anderen Verkäufer balgen sich um meine Aufmerksamkeit, so wie es der reale Kampf um die sehr wenigen Touristen erwarten lässt. Bedrückend für alle (inklusive mich) ist dann meine Erklärung, dass wir keine weiteren Geschäfte machen können oder wollen. Nur der „treueste“ Dorfbegleiter von gestern erhält als Trostpreis einige ungebrauchte Batterien.

Tagesdistanz: Auto 0 km, Fuss fast 0 km, Boot ca. 8 km
Letzte Änderung: 21 Sep 2012 05:59 von girwal. Begründung: Sprachfehler
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29 Nov 2011 19:52 #214896
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Freitag, 14.10.2011

Rosmarie meint, ich sei zu übermütig gewesen gestern Nacht, mindestens beim Aufstieg ins Dachzelt. Mag ja sein. Ist aber auch gut begründbar, denn der Camp-Manager hat uns gestern Abend eine spezielle (1 von total nur 4612) Flasche südafrikanischen Chardonnay empfohlen (welchen er am Vorabend selbst mit seiner Frau getestet hat). Und dieser Wein war schlicht himmlisch gut. Und damit Rosmarie selbst noch sicher ins Dachzelt rauf kommt, habe ich halt – als gentleman - ein wenig mehr „Sturztrunk“ beseitigt als sie.

Der heutige Tag ist ganz anders als verlaufen als gestern: heute bestand nie lange Gefahr des totalen Verfaulens, denn heute war wieder einmal ein Steigerungslauf der Gefühle, diesmal sogar gespickt mit einem negativen Höhepunkt.

Am vermeintlich letzten Malawisee-Tag packt uns nochmals die Aktivitätslust. Trotz respektabler Hitze „tschalpen“ wir 2 h am Strand entlang bis fast zum Otter Point. Das Tschalpen auf dem Tiefsand braucht viel mehr Energie als ein Standard-Walking auf Wegen. Und nochmals ergibt sich ein fast tausendfacher Einblick in die „Strandaktivitäten“ der Einheimischen. Heute stechen uns vor allem die Einbäume in die Augen und deren vielschichtige Verwendung. Erst mal ist es interessant zu sehen, wie sie in rein manueller Fertigung entstehen (der Bootsbauer hat von drei Tagen Aufwand gesprochen). Deren Verwendung im Wasser als Fischerboot oder als Transportboot für Personen oder Waren erstaunt nicht. Viel eher erstaunlich ist, dass wahrscheinlich 90 % der Einbäume am Ufer liegen und weiteren Zwecken dienen (z.B. Wäschetrocknung, Mittagsschlaf, Vogellandeplatz, Spielhäuschen, etc).











Mit kurzem Drinkstop schaffen wir dann auch den Rückweg, teilweise entlang fester Wege. Dort können wir auf kurzer Strecke auch noch die Entstehung der Backsteine über verschiedene Phasen verfolgen. Erst wird der draussen im Feld vorhandene Dreck mit Wasser angeteigt und in Formen geschmissen. Diese Nassklumpen werden erst an der Sonne getrocknet und später zu ofenförmigen Haufen aufgeschichtet. Vor dem Brennen wird der Ofen aussen noch eingekleidet. Das Brennen mit Holz in den Ofenlöchern soll nur gut einen Tag dauern. Damit sind die ungebrannten schlechten (auch mit denen wird an einigen Orten gebaut) „Steine“ in gebrannte „Backsteine“ übergegangen, welche dann der Witterung viel besser widerstehen.













Nach der wohlverdienten Kaffeepause will ich am Nachmittag noch das Auto durchchecken für die morgen beginnende Rückfahrt nach Sambia. Und……der Motor macht keinen Wank. Nein, die Batterie ist nicht erschöpft. Ich demontiere das halbe Armaturenbrett und überprüfe alle Sicherungen und Kabel so gut ich dies mit primitivem Werkzeug kann. Alle Sicherungen sind gut; das Rätsel wird grösser. Der Kontakt zum Fahrzeugvermieter gelingt, bringt uns aber nicht weiter als zum Ratschlag „Try to solve the problem locally“. Ist dies nun echte Hilfe oder nur Freibrief zum weiteren Brainstorming? Irgendwann beginne ich am Funksender des Carwatch zu zweifeln und an dessen Zwergbatterien. (Ohne Freigabe durch den Carwatch lässt sich der Motor nicht starten, auch nicht mit Anschleppen). Aber der zu Hilfe gerufene Camp-Manager bezweifelt, ob derartige Zwergbatterien ausserhalb der Grossstädte Lilongwe oder Blantyre (beide sind mehrere Hundert km entfernt von hier) erhältlich sind.

Jetzt beginnen wir einen völlig neuen Plan B zu entwickeln. Wie – ohne unser Auto – schaffen wir mit unserer Bagage die rund 1000 km nach Lusaka in den verbleibenden 3 Tagen? Jetzt brauchen wir keinen zweiten Kaffee mehr um europäisch wach zu sein.

Fast hoffnungslos sendet der Camp-Manager einen angestellten Einheimischen ins Dorf auf Suche nach genau diesen Batterien. Inzwischen wird der Plan B konkreter und die Stimmung sinkt unter den Wasserspiegel des Malawisees. Und dann plötzlich Aufregung im momentan einsamen Camp. Der Angestellte kommt freudestrahlend zurück mit alten neuen Batterien. Wo nur in diesem Strohdorf hat er diese auftreiben können? Mit fast zittrigen Händen baue ich diese Batterien ein und …..Hurrraaahhh!......es funkt und der Motor springt an. Hellste Freude auch bei Rosmarie. Oder in meiner Formulierung: die Ferien sind (nach der Sichtung der Löwen) ein zweites Mal gerettet.

Eigentlich gar nicht mehr nötig zu beschreiben, wie himmlisch das riesengrosse und sagenhaft zarte Rindsfilet als Malawisee-Abschiedsdinner danach geschmeckt hat.

Chembe Eagle’s Nest Campsite, 1700 MK pppn
Tagesdistanz : Auto 0 km, Fuss zirka 8 km
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30 Nov 2011 20:45 #215046
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Samstag, 15.10.2011

Ist eine Verlagerung der Erlebnisse oder eine Intensivierung auf unserer Reise noch nötig? Nein meinen wir; ja meint das Schicksal.
Fröhlich nehmen wir Abschied von den uns tagelang unterhaltenden kleinen Echslein und dem Chefvogel auf seiner Übersichtsstange vor unserem Stellplatz.







Wir verabschieden auch die Australier und Südafrikaner, welche unsere tagelange Einsamkeit im Chembe Eagle’s Nest gestern Abend beendet haben.
Ziel für heute ist Chipata in Sambia. Aber wir kommen ganze 8 km weit, dann ist erst fertig geschaltet und an der nächsten Steigung auch fertig gefahren. Alle Wiederbelebungsversuche und auch gezielte Gewaltanwendungen versagen kläglich. Nur etwas geht weiter: ein stark kratzender Lärm aus Richtung Getriebe bei jedem Versuch. Wie nur sage ich jetzt Rosmarie meine böse Vermutung? Zuerst jedoch ist nackter Realismus gefragt: das Fahrzeug an unübersichtlicher Stelle in der Steigung sichern, Hilfsplan aushecken, alles Wichtige in die Hosen oder in den Rucksack packen, auf nächstes Velo oder Auto warten, Boten in nächstes Dorf mit Garage senden, Autovermieter kontaktieren, und so weiter. Zum Glück haben wir für diese Reise ein Satellitentelefon angeschafft, denn hier draussen im Niemandsland gibt es keinen Handy-Empfang. Aber die erneuten Beschwichtigungen des Autovermieters helfen wenig. Wahrscheinlich hat dann meine Ermunterung „Rosmarie, auch diese Situation werden wir gemeinsam deichseln“ nicht nur sie beruhigt, sondern auch mich aufgestellt. Ich nehme es einigermassen gelassen (wohl weil wir uns bereits mehrfach an Unerwartetes gewöhnt haben oder weil wir langsam auch innerlich assimiliert sind?).
Relativ bald kommt ein Pick-up mit zirka 15 Kirchgängern auf der Ladebrücke vorbei. Zufällig ist darunter einer, welcher sich als Mechaniker ausgibt. In dieser Situation frage ich nicht wie er heisst, woher er kommt und was er kann und lasse ihn entgegen den schriftlichen Weisungen des Vermieters ans Steuer sitzen und gewähren. Seine Gewaltanwendungen sind anfänglich auch erfolglos, bis es ihm wenigstens gelingt den 1. Gang (und nur diesen) ein zu würgen. So fährt er im echten Schritttempo Richtung Monkey Bay, dem nächsten grösseren Ort.
Wir beide finden noch irgendwie Platz auf der kleinen Ladebrücke des „Volkstransporters“, Rosmarie kauernd-sitzend und ich einseitig auf der Zarge sitzend, immerhin mit einem Bein auf der Ladebrücke. Schönes Erlebnis (abgesehen von Rosmarie’s zerrissenen Hosen): die übrigen Mitfahrer und –innen singen die ganze Zeit wohlklingende Refrain-Lieder im Halleluja-Stil. Dies tönt so schön und aufstellend; dies kann nicht die Abdankung für unser Auto sein!
Nach zirka 2 h sind wir dann endlich in der Hofwerkstatt in Monkey Bay. Hier dauert die Diagnose nach Fahrversuchen und gutem Hinhören nicht lange: klarer Getriebeschaden. Ein Ersatzgetriebe ist nicht verfügbar. Geraume Zeit später heisst es dann: Ersatzgetriebe bis Sonntag Abend denkbar für 170‘000 MK (mehr als 1000 USD). Auf Rückfrage beim Vermieter gibt es für diese Lösung aber ein no-go. Er will alternativ zu unserer Rettung ex Lusaka ein Fahrzeug mit zwei Fahrern die Nacht durchfahren lassen: Diese sollten uns dann bis Sonntag Mittag erreichen.

Uns bleibt im wörtlichen Sinn jetzt nur „let’s wait and see“ übrig. Der Garagist verhilft uns zu einer Übernachtungsgelegenheit in Monkey Bay. Unsere Aufgabe ist es nun, unsere wichtigsten Habseligkeiten im Auto zusammen zu räumen in einer einzigen Tasche. Die gestern noch aufgestockte Lebensmittelkiste verschenken wir gleich dem Garagisten. Dann folgt wieder ein lustiges Zwischenstück: mit drei Velotaxis werden Rosmarie, ein Führer mit der Nottasche und ich zum Venice Beach Backpacker gebracht, anfangs auf der Teerstrasse, dann auf Wegen und schliesslich zu Fuss querfeldein.



Die Lage des Venice Beach ist – neutral beurteilt - malerisch schön. Weil der nationale Muttertag ansteht sind alle normalen Zimmer bereits belegt. Wir erhalten ein Notzimmer, welches auf 2.5 x 2.5 m immerhin ein hartes Doppelbett und einen kleinen Tisch ohne Stuhl bietet. Das aufgehängte Moskitonetz strotzt vor Löcher. Spontaner Kommentar von Rosmarie: schlimmer als die schlimmste Gefängniszelle bei uns.



Rosmarie will schnell wieder raus unter das offene schattige Restaurantdach. Hier haben wir jetzt stundenlang Zeit uns mit der Situation abzufinden und dem Gekreisch der badenden Frauen und dem Volleyballspiel der Männer zuzusehen. Und es bleibt uns auch genug Zeit einen Plan D (was wenn die Repatriierung nicht klappt?) gedanklich durch zu spielen. Und vergessen wir den kleinen Situationsvorteil nicht: mein Tagebuch ist sogar bei Tageslicht geschrieben.

Am Abend dann noch eine doppelte, allerdings relative Beschwichtigung für Rosmarie: es gibt sogar akzeptabel gutes Chicken-and-rice und (fast ebenso wichtig): der überlaute Samstagabend der Einheimischen am Malawisee (wie in Senga Bay) wiederholt sich nicht. Unter diesen Umständen kommt Rosmarie ohne weiteres Murren in die „Zelle“ und schläft sogar bald ein. Am andern Morgen dann noch die dritte relative Beschwichtigung: andere (amerikanische) Touristen mussten sogar im offenen Gang vor den Zimmern übernachten. Grosse Freude an der ruhigen und schlafreichen Nacht kommt jedoch deswegen nicht auf und Rosmarie will schnellstens wieder aus der Zelle raus. Jetzt beginnt bei mir aber eine Befürchtung zu keimen: Kann denn Rosmarie nach den vielen luftigen und glücklichen Dachzeltnächten etwa gar nicht mehr innerhalb von Mauern schlafen? Muss ich da für zu Hause noch einen Plan E aushecken?

Monkey Bay, Venice Beach Backpacker, 3000 MK im „Notzimmer“
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01 Dez 2011 06:41 #215066
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Infolge beruflicher Abwesenheit geht das heutige Adventskalender-Fenster bereits am frühen Morgen auf:



Sonntag, 16.10.2011

Heute läuft alles krumm oder findet keinen Gefallen. Es herrscht tatsächlich keine Hochstimmung. Das Frühstück im Restaurant – obwohl so abwechslungsreich wie kaum in den letzten Tagen – findet keinen Anklang. Dann ist auch die ganze Hotelanlage – obwohl gepflegt und hübsch am Strand gelegen – geprägt durch die „Zelleneindrücke“. Und ebenso wenig Gefallen können die bunt gekleideten Frauen erwecken, welche unter den Bäumen ihre Gottesdienste abhalten. Venice Beach ist heute für uns in unserer Situation eine bös negative Steigerung gegenüber dem Eagle’s Nest. Ich weiss aber, dass dieser Eindruck zu 90 % von uns selbst geprägt ist.







Wir selbst wollen zeitgerecht zurück beim Auto sein, wenn unsere Retter uns abholen. Aber 2500 MK (15 USD) zu zahlen für eine Taxifahrt von zirka 2 km bin ich unter malawischen Verhältnissen nicht bereit. Als Alternative hat der Barkeeper empfohlen gleich im Dorf ausserhalb des Hotels Velotaxis zu nehmen. Als wir dorthin gehen, ist dann weit und breit kein Velo zu sehen. Also stapfen wir auf dem Fussweg mit schwerer Tasche im Sand und bei grosser Hitze weiter. Wenn jetzt nur nicht Rosmarie ausflippt (denn gewarnt hat sie mich schon vorher). In der Not suche und finde ich zwei Einheimische und heuere sie an als Velotaxi. Alles in Butter jetzt? Denkste! Rosmarie weigert sich trotz liebsten und beschwichtigenden und eindringlichen Worten standhaft (und dies im wörtlichen Sinn) auf ein Velo zu steigen. Die Einheimischen staunen und ich bin ratlos, ratloser als gestern bei der Autopanne. Wie weiter? Rosmarie geht strammen Schrittes Richtung Monkey Bay und wir anderen fahren - öfters wartend – im Velotaxi-Kriechgang hinterher oder voraus. Aber so richtig geniessen kann ich diese Taxifahrt doch nicht. Am Ziel bei der Garage renkt sich die Laune am Schatten und mit Trinkwasser langsam wieder ein. Bester Indikator dafür: Rosmarie meint sie sei zu Fuss schneller gewesen als wir mit den Velos. Na ja, ich kann ja auch schweigen.

Nach einer guten Stunde kommen unsere Retter tatsächlich. Schnell ist der Fahrzeugzustand (als nicht fahrbar) bestätigt, der Reparaturvorschlag des Garagisten (als zu teuer) abgelehnt und das weitere Vorgehen fixiert (lokal eine Abschleppstange zu organisieren). Nun, dies dauert weitere 1 ½ h und dann kommt ein technisch gar unschönes Ding daher, aus alten Rohren und Stäben zusammengebraten. Dies befestigen unsere Leute mit Seilen. Ich selbst hätte andere Befestigungsorte gewählt und auch andere Knoten gemacht. Die Stress-Situation ist auch unseren Chauffeuren anzumerken. Da will ich mich lieber nicht auch noch einmischen. Meine Transportideen finden ja heute eh keine Berücksichtigung.

Um 16 Uhr – wir zählen langsam die Stunden – geht es endlich los mit deklariertem Ziel Lilongwe. Mit häufigem Ruck und Zuck kommen wir langsam weg von Monkey Bay …… einige km, dann gibt es einen Nothalt: das Kunststoffseil, befestigt neben dem Auspuff, ist durchgeschmolzen. Lösung einfach: mit dem Restseil auf der anderen Seite befestigen. Und danach sofort weiter. Diesmal fast 20 km. Dann grosses Scheppern und wieder Nothalt: die Stange ist in einer Sch(w)eissnaht durchgebrochen und hat sich auch noch verbogen. Und draussen bricht langsam auch die Dämmerung an. Mit Hilfe von Einheimischen fahren unsere Chauffeure ins nächste Dorf, wo es ein Schweissgerät geben soll. Wir beide bleiben beim Havariefahrzeug und werden von vielen Menschen und Tieren bestaunt. Gerne würden wir auch gackern oder scharren.



Wir machen es anders: erst eine Portion Selbstberuhigung mit Früchten und dann ein ganz realistisches Brainstorming zu einem neuen Plan F: wie können wir möglichst morgen mit einem Flug ex Lilongwe nach Lusaka oder gar nach Johannesburg zurück fliegen? Umsetzung bei Bedarf ab morgen früh.

Der Rest ist fatalistisches Warten im Dunkeln. Nach fast 2 h sind die Chauffeure zurück und der revidierte „Krüppel“ wird wieder fest gezurrt. Und jetzt wieder die mehr als nur wachhaltende Ruck-und-Zuck Fahrt, jetzt noch erschwert durch die Dunkelheit, denn weder Velos noch die ebenfalls schwarzen Fussgänger sind beleuchtet.
Zu meinem grossen Erstaunen hält das Geflick und Gezurr, aber das Dahinschleichen in der Nacht erscheint wie eine Ewigkeit. Gegen 1 Uhr in der Früh erreichen wir tatsächlich Lilongwe und steigen in einem modernen Hotel ab. Welch ein Gegensatz zur unmittelbaren Umgebung und auch zur vorangehenden Nacht. Unser einziger Wunsch noch: kurzes Duschen (wir sind vom Schweiss und Staub halb betoniert und ganz verstunken) und dann Sofortschlaf.

Lilongwe, Crossroad Hotel : 21055 MK für DZ+Frühstück
Tagesdistanz: unbekannt (ca. 200 km)
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